Dr. Christian Schlottfeldt
1 Ausgangssituation
Mit der für Tarifverträge bestehenden Möglichkeit, die individuelle Einwilligung des Arbeitnehmers in die Verlängerung der Arbeitszeit durch Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst ohne gesetzlichen Zeitausgleich zuzulassen (sog. "opt-out"), kann nicht nur die tägliche Grenze der Höchstarbeitszeit, sondern auch das im Ausgleichszeitraum insgesamt zulässige Arbeitszeitvolumen erweitert werden. Für Betriebe und Einrichtungen, in denen rund um die Uhr Personal vorgehalten werden muss, ist dies auch mit Blick auf den sich ergebenden Personalbedarf von hoher Bedeutung.
2 Rechtlicher Hintergrund
Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn sich der Arbeitnehmer auf Anordnung des Arbeitgebers an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (in der Regel der Betrieb) aufhält, um auf Abruf oder im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen und erfahrungsgemäß die Zeit ohne aktive Arbeitsleistung ("passive Bereitschaft") überwiegt. Bereitschaftsdienst wird häufig in medizinischen und sozialen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Einrichtungen der Jugend- und Behindertenhilfe, aber auch z. B. in Betriebsfeuerwehren geleistet und ist Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitschutzrechts.
Die Arbeitsform der Arbeitsbereitschaft (als "höhere" Bereitschaftsform mit wacher Aufmerksamkeit des Arbeitnehmers, wie sie etwa im Rettungsdienst anzutreffen ist) gilt als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG.
Die Dienstform der Rufbereitschaft, in der der Arbeitnehmer sich an einem von ihm selbst bestimmten Ort auf Abruf zur Arbeitsaufnahme aufhält, gilt dagegen (mit Ausnahme der Inanspruchnahme) als Ruhezeit.
Nunmehr unterliegt die Verlängerung der Arbeitszeit durch Arbeitszeitbereitschaft denselben Rahmenbedingungen wie die Verlängerung der Arbeitszeit durch Bereitschaftsdienst.
Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf gemäß § 3 Satz 1 ArbZG 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann gemäß § 3 Satz 2 ArbZG auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen (arbeitszeitgesetzlicher Ausgleichszeitraum der Höchstarbeitszeit) im Durchschnitt 8 Stunden pro Werktag nicht überschritten werden. Für Nachtarbeitnehmer gilt ein kürzerer Ausgleichszeitraum. Vereinfachend kann man auch von einem zulässigen Arbeitszeitvolumen von durchschnittlich 48 Stunden/Woche innerhalb des Ausgleichszeitraums sprechen. Der Durchschnittswert ist dabei als "gleitender Durchschnitt" zu verstehen.
3 Verlängerung der Arbeitszeit durch Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst als täglicher "Spitzenwert"
Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1a und 4a ArbZG kann in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung die werktägliche Arbeitszeit über 10 Stunden hinaus verlängert werden, wenn regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst in die Arbeitszeit fällt. Die für Verlängerungen der Arbeitszeit maßgebliche Voraussetzung des "erheblichen" Anteils von Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst ist erfüllt, wenn mindestens ca. 30 % der Zeitspanne des verlängerten Dienstes als Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst gewertet werden können.
Voraussetzung: Min. 30 % Bereitschaft
Bei einem 12-Stunden-Dienst fallen 4 Stunden als Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst an.
Innerhalb der Zeitspanne der Bereitschaft müssen in der Regel die inaktiven Zeitspannen überwiegen, was durch eine repräsentative Erhebung der Aktiv- und Passivzeiten (z. B. über 3 Monate) geprüft werden sollte. Für deutlich längere Dienste ist zu beachten, dass der Anteil der (planmäßigen) Vollarbeit ("Regelarbeitszeit") insgesamt 10 Stunden nicht überschreiten darf. Auch wenn ausschließlich Bereitschaftsdienst vorliegt, darf die Arbeitszeit auf maximal 24 Stunden verlängert werden; im Anschluss ist eine Ruhezeit von 11 Stunden zu gewähren.
Wird die tägliche Arbeitszeit durch Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst verlängert, darf die insgesamt geleistete Arbeitszeit des Arbeitnehmers (einschließlich Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst!) innerhalb eines Zeitraums von 12 Kalendermonaten grundsätzlich durchschnittlich 48 Stunden/Woche nicht überschreiten. Die Grenze des maximal zulässigen Arbeitszeitvolumens (durchschnittlich 48 Stunden/Woche) gilt also auch für Arbeitszeitmodelle mit Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst. Verlängerungen der werktäglichen Arbeitszeit durch Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst, die die genannte Grenze (durchschnittlich 48 Stunden/Woche) einhalten, bedürfen arbeitszeitgesetzlich keiner Zustimmung des Arbeitnehmers.
4 Erweiterung des zulässigen Arbeitszeitvolumens durch "opt-out"
Gemäß § 7 Abs. 2a ArbZG kann – über die oben skizzierte Verlängerung der täglichen Arbeitszeit als Spitzenwert hinaus – in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung das gesetzlich zulässige Arbeitszeitvolumen erweitert werden. Die werktägliche Arbeitszeit kann auch ohne (!) Ausgleich über 8 Stund...