Prof. Dr. Wolfgang Nicolai
Ein nächster wichtiger Schritt ist die Analyse und Bestandsaufnahme der Ist-Situation, d. h. des bisherigen Lebens- und Berufswegs des Kandidaten. Dazu gehören eine Stärken/Schwächen-Analyse, das Erstellen eines Fähigkeitsprofils und die Ermittlung individueller Ziele sowie kritischer Sozialfaktoren. Bei finanzieller Förderung der Beratung nach § 110 SGB III bzw. im Vorfeld einer Transfergesellschaft sind dazu verbindlich die von der Agentur für Arbeit vorgegebenen Unterlagen (Profiling-Bogen/Arbeitspaket) auszufüllen. Bei der Erarbeitung der Potenzialanalyse werden z. B. der Abgleich von Selbstbild und Fremdbild sowie vielfach psychologische Tests (bei seriösen Anbietern nur mit Zustimmung des Kandidaten) eingesetzt. Der Ratsuchende lernt mit seinen Schwächen umzugehen, sie entweder schrittweise zu überwinden oder aber ihre Anerkennung zur eigenen Stärkung zu nutzen. Bei den kritischen Sozialfaktoren geht es z. B. um mangelnde berufliche Qualifikation, verlorene Motivation, Überschätzung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, mangelnde Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, an deren Aufarbeitung gezielt gearbeitet werden muss. Bei der Potenzialanalyse sind gleichfalls die Umfeldbedingungen wie etwa die Rolle der Familie zu berücksichtigen. Das Resultat der Analyse mündet in ein persönliches Kompetenz- und Leistungsprofil. Mit einer Potenzialanalyse wird die soziale Kompetenz des Kandidaten gestärkt. Teilnehmer, die ihre eigenen Ressourcen kennen, stellen sich zielorientierter, motivierter und bewusster der beruflichen Neuorientierung.
In der "persönlichen Marketing- und Suchstrategie" werden gestützt auf eine Analyse des Arbeitsmarkts die Zielgruppen für berufliche Aktivitäten gesucht und definiert. Die Leistungspotenziale des Kandidaten werden empfängerorientiert der vorher festgelegten Zielgruppe angeboten. Die zielorientierte Vermarktungsstrategie richtet sich auf Positionen, die den Fähigkeiten, Neigungen und Wünschen des Ratsuchenden entsprechen. Angesichts der im Zuge der Globalisierung vielfach eingetretenen Verschlechterung der Konditionen auf dem nationalen Arbeitsmarkt ist für einen Teil der Arbeitsuchenden, insbesondere mit geringen oder nicht mehr gefragten Qualifikationen, eine realistische Haltung zu den Gehaltsvorstellungen bei dem geplanten beruflichen Neueinstieg erforderlich. In zahlreichen Fällen kann das – gerade im Gruppenoutplacement – die Akzeptanz eines erheblich niedrigeren Anfangsgehalts bei einem Neustart bedeuten. Auch grundsätzliche Vorbehalte gegenüber Arbeitsplätzen in der Zeitarbeit können nicht durchgängig aufrechterhalten werden.
Zur Strategieentwicklung gehören ebenfalls der Aufbau und die Nutzung des persönlichen Kontaktnetzes. Schließlich erfolgt ein hoher Teil der Stellenbesetzungen auf der Grundlage privater Empfehlungen. Das Netzwerkkonzept wird ergänzt durch gezielte Unternehmensrecherchen unter Nutzung der wachsenden Möglichkeiten des Internets. Die Strategie enthält ferner die Wege zur Schließung von in der Potenzialanalyse ermittelten Kompetenzlücken.