Für gute Fachleute gab es lange Zeit kaum attraktive Karrierechancen. „Wenn Karriere, dann Führung!“ lautete das Motto. Dies hat in vielen Fällen dazu geführt, dass weder die Mitarbeiter noch die neu ernannte Führungskraft sonderlich glücklich mit der Positionsbesetzung geworden sind. Und dennoch ist auch heute noch für viele die Vorstellung vom beruflichen Aufstieg mit dem Bild einer klassischen Führungslaufbahn verbunden: Vom Sachbearbeiter über den Teamleiter zum Abteilungsleiter, dann Bereichsleiter und anschließend Geschäftsführer. Diese Art von Karriere vollzog sich zumeist innerhalb des gleichen Funktionsbereiches. Die sogenannten „Kaminkarrieren“ waren dabei durch eine niedrige Anforderung an räumliche und fachliche Mobilität gekennzeichnet. Ein dauerhafter Standort und lange Zugehörigkeit zum Unternehmen taten ihr Übriges.
Jedoch die Arbeitswelt hat sich massiv gewandelt. Mehr denn je wird vom Mitarbeiter ein hohes Maß an Flexibilität im Hinblick auf sein Tätigkeitsgebiet, organisatorische Eingliederung und Einsatzort verlangt. Zunehmend häufiger werden neuartige Aufgaben in Form von Projekten bearbeitet. Alternative Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit, befristete Arbeitsverhältnisse oder freiberufliche Tätigkeit nehmen deutlich zu, Organisationsstrukturen werden agiler aufgestellt.
Die Folge: Karriere vollzieht sich nicht mehr ausschließlich streng hierarchisch, sondern zunehmend mehr durch die wechselnde Übernahme von Linienfunktionen, Projektverantwortung und Spezialaufgaben, die sich an den schnell verändernden Anforderungen orientieren. Daraus resultiert, dass die Verantwortung des Einzelnen für seine berufliche persönliche Entwicklung und Weiterqualifizierung steigt. Es gilt, sich jeden Tag neu zu bewähren und andere von seinem Können zu überzeugen.
Dies führt oftmals dazu, dass Mitarbeiter häufig ein vertieftes Expertenwissen haben, das der eigene Vorgesetzte kaum noch einschätzen kann. Und auch wenn es manche nicht wahrhaben wollen: Die Führungskraft ist in vielen Fällen nicht mehr der „beste Sachbearbeiter“ bzw. der Experte seiner Organisationseinheit.
Durch diese „Verschiebung“ erfolgskritischen Expertenwissens sind schließlich Positionen entstanden, die von hoch qualifizierten Mitarbeitern wahrgenommen werden, welche häufig viel Verantwortung übernehmen, aber keine disziplinarische Führungsverantwortung haben. Zunehmend häufiger ist „Karriere“ nicht mehr allein durch die steigende Zahl der unterstellten Mitarbeiter bestimmt – immer öfter wird diese an der Wertigkeit der Verantwortung festgemacht, die im Rahmen der Unternehmensziele übernommen wird.
Die Schere zwischen Nachfrage und Angebot an hochqualifizierten Fachkräften ist bereits dramatisch und geht in den nächsten Jahren weiter auseinander. Die Potenziale der Digitalisierung greifen (noch) nicht im adäquaten Maß. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass sie Alternativen zu den wenigen Führungspositionen in flachen Hierarchien brauchen, um die wettbewerbsentscheidenden Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Und deshalb adäquate Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten vorhalten müssen. Dabei erfolgt die Differenzierung als Arbeitgeber gegenüber dem Wettbewerb zunehmend über attraktive Entwicklungsmodelle die Kategorien von „oben“ und „unten“ hinter sich lassen: Fach- und Projektleiterlaufbahnen als Alternative zu einer weiter zu professionalisierenden Führungskarriere.
Und mehr noch: Die kommende Generation von Arbeitskräften hat eine andere Sozialisierung durchlaufen und ist durch Motive und Erfahrungen geprägt, welche detailliertes fachliches Feedback, kontinuierliche fachliche Entwicklung und die karrieremäßige Anerkennung der Fachkompetenz oftmals mehr zu schätzen wissen, als die oftmals administrative Tätigkeit als Führungskraft.
Die professionelle Entwicklung von Führungskräften und Experten ist ein unterschätzter Dauerbrenner der Personalentwicklung.