Häufig werden die Ergebnisse einer derartigen Potenzialeinschätzung durch wissenschaftliche Verfahren untermauert. Auf dem Markt verfügbare psychologische Tests zur Potenzialanalyse fokussieren in erster Linie auf Potenzialtreiber, d. h. messbare Eigenschaften, wie z. B.
- Lernfähigkeit,
- Leistungsmotivation
- oder Intelligenz,
die die Umsetzung von Potenzial in Verhalten begünstigen. Kritisch anzumerken bleibt an dieser Stelle, dass die marktüblichen Potenzialanalyseverfahren auf wissenschaftlich abgesicherten Kriterien fußen, die im Normalfall einer sehr starken Korrelation unterliegen, aber keine Kausalität begründen.
Mit anderen Worten: Es besteht ein nachweislicher Zusammenhang von Kriterien (z. B. der Schul-Abschlussnote in Mathematik und dem Berufserfolg) – damit ist aber nicht ausgesagt, dass eben diese Kriterien kausal den Berufserfolg verursachen.
Das stark vereinfachte Beispiel von eben aufgegriffen, ergeben sich zum Beispiel Fragen wie die Folgenden:
- Haben alle guten Mathematiker einen hohen Berufserfolg?
- Gibt es auch Menschen mit hohem Berufserfolg, die keine guten Schul-Abschlussnoten in Mathematik aufweisen?
- Hat sich die Anforderung an Tätigkeiten seit der letzten Erhebung des statistischen Zusammenhangs verändert, so dass die Mathematiknote ggf. eine untergeordnete Rolle spielt?
Weiterhin stellt sich die Frage, wie man ggf. mit voneinander abweichenden Ergebnissen umgeht. Was also, wenn eine Kandidatin laut Potenzialeinschätzung durch Ihre Führungskraft sich bewährt hat, in der Portfoliorunde bestätigt wurde, aber in der Potenzialanalyse ein abweichendes Bild zeigt? Aus praktischer Erfahrung ist ein schlichtes "follow the science" nicht immer der richtige Weg. Zu viele Beispiele der Praxis – die aus wissenschaftlicher Sicht anekdotisch sein mögen, für die Unternehmen aber erfolgskritische Auswirkungen haben – zeigen, dass so manches Mal, beste wissenschaftliche Ergebnisse bei geringer Akzeptanz im Management ebenso wenig Erfolg hervorbringt wie umgekehrt: Kandidaten, die auf breite Akzeptanz stoßen auch sehr erfolgreich sein können, wenngleich nicht zwingend die Ergebnisse wissenschaftlicher Testverfahren überzeugen würden.
Selbstverständlich braucht es (und gibt) es eine kontinuierliche Verbesserung wissenschaftlicher Verfahren und immer solidere Einschätzungen des Managements über die Zeit, mit dem Startpunkt "Jetzt", sollte dies als eine Grundsatzüberlegung berücksichtigt werden. Der Wert von Potenzialanalysen wird damit nicht geschmälert, gegebenenfalls aber relativiert.