OFD Berlin, Verfügung v. 21.1.2003, S 2295 /S 0622 A - St 32 1/St 53 3
I. Grundsätzliche Anwendung des Progressionsvorbehalts
Der BFH hat in zwei Urteilen (v. 19.12.2001, I R 63/00 und vom 15.5.2002, I R 40/01, BStBl 2002 II S. 660) entschieden, dass § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG weder verfassungswidrig ist, noch gegen EU-Recht verstößt und auch mit DBA-Recht vereinbar ist. Die Anwendung setzt abkommensrechtlich lediglich voraus, dass das einschlägige DBA die Berücksichtigung eines Progressionsvorbehalts nicht verbietet. Eine Erlaubnisnorm für die Anwendung des Progressionsvorbehalts innerhalb des DBA ist nicht erforderlich. Insoweit hat der BFH seine frühere Rechtsprechung geändert, wonach es der ausdrücklichen Erlaubnis des Progressionsvorbehalts im DBA bedürfe. Eine Verfassungsbeschwerde ist zzt. nicht anhängig.
Somit ist bei nur zeitweise unbeschränkter Steuerpflicht im Veranlagungszeitraum (z.B. wegen Zuzugs nach bzw. Wegzugs aus Deutschland) im Rahmen der Jahresveranlagung auf alle ausländischen Einkünfte, die im betroffenen Veranlagungszeitraum nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben, der Progressionsvorbehalt anzuwenden. Dabei ist es unerheblich, ob die ausländischen Einkünfte im zeitlichen Zusammenhang mit der unbeschränkten, einer beschränkten oder überhaupt keiner inländischen Steuerpflicht erzielt wurden.
Die Bearbeitung bisher ruhend gestellter Rechtsbehelfsverfahren betreffend Progressionsvorbehalt bei zeitweise unbeschränkter Einkommensteuerpflicht kann wieder aufgenommen werden.
Aus der Begründung der v.g. Urteile ergibt sich weiterhin, dass auch in den Fällen des § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG der Progressionsvorbehalt unabhängig von der Frage anzuwenden ist, ob Deutschland Ansässigkeitsstaat ist oder nicht (z.B. bei Doppelwohnsitz). Der Wortlaut sei so auszulegen, dass das DBA die Anwendung des Progressionsvorbehalts nicht verbieten dürfe.
Es ist daher auch in allen noch offenen Fällen des Doppelwohnsitzes die Besteuerung unter Anwendung des Progressionsvorbehalts durchzuführen.
II. Berücksichtigung des Werbungskosten-Pauschbetrags bei gleichzeitigem Vorliegen von in- und ausländischem Arbeitslohn
Das FG Berlin hat mit Urteil vom 27.1.2000 (7 K 7423/99, rkr.) entschieden, dass bei gleichzeitigem Vorliegen von in- und ausländischem Arbeitslohn bei Ermittlung des besonderen Steuersatzes nach § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG der AN-Pauschbetrag nicht aufzuteilen ist; dies führt u.U. zu einer doppelten Berücksichtigung des AN-Pauschbetrags.
Diese Entscheidung widerspricht der Verwaltungsauffassung, wonach beim Progressionsvorbehalt nur die Werbungskosten zum Ansatz kommen, die insgesamt (Summe der WK zu inl. und zu ausl. Arbeitslohn) einen bei der Ermittlung der inländischen Einkünfte bereits berücksichtigten AN-Pauschbetrag übersteigen. Eine doppelte Berücksichtigung des AN-Pauschbetrags sowohl bei den inländischen als auch bei den ausländischen Einkünften scheidet aus. Auf Grund eines Beschlusses der Einkommensteuerreferenten der Länder ist die v.g. Entscheidung des FG Berlin über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. Vorliegende Einsprüche sind insoweit als unbegründet zurückzuweisen.
Normenkette
EStG § 32b