Dabei ist die Abweichung nicht immer ein Fehler. Häufig zeigen die Varianten im Alltag nur, dass wir den Prozess nur annähernd beschrieben haben und in der Realität viel mehr unterschiedliche Fälle auftreten, als wir abbilden können. Oft stellen wir auch fest, dass einzelne Bearbeiter ihre Vorlieben haben und die Arbeiten und Kommunikationen ein wenig nach ihrem eigenen Geschmack oder ihren Erfahrungen ausgestalten. Manchmal können wir dann beobachten, dass in der Kommunikation Missverständnisse entstehen oder Lücken auftreten. Das kann zu Fehlern führen.

Oder wir beobachten, dass die Leute im "echten Leben" ganz anders arbeiten als wir das im Prozessbild erfasst haben. Das sollte uns aufmerken lassen. Verschiedene Gründe können dahinterstecken:

  • Ein unrealistisches Prozessbild: Vielleicht haben wir bei der Erstellung unseres Prozessbildes "die Rechnung ohne den Wirt" gemacht, uns also auf Informationen im Besprechungsraum verlassen und gar nicht wirklich beobachtet, wie der Prozess läuft und dabei ein falsches Bild gewonnen. Dann hilft diese Rückmeldung, den Prozess noch einmal anzuschauen.
  • Mangelndes Prozesswissen: Signifikante Abweichungen vom Prozess treten auf, wenn die beteiligten Personen den Prozess nicht kennen. Dann ist Training die passende Antwort.
  • Sonderfälle: Wenn wir mit unserer Prozessdarstellung nur eine begrenzte Zahl von möglichen Prozessvarianten erfassen, um den Überblick zu gewinnen, dann heißt das in der Folge auch, dass immer wieder Fälle auftreten, für die der Prozess nicht passt. Hier könnte eine Option sein, nach und nach mehr Informationen darüber zu sammeln, wie die Sonderfälle regulär zu welchen Variationen vom Prozess führen. Dann sind diese Beobachtungen keine Abweichungen mehr, sondern eben nur Variationen, die vielleicht nicht allen bekannt sind.
  • Ausnahmen: Selbst, wenn wir unseren Prozess noch so gut erheben – es wird immer zu unvorhergesehenen Situationen kommen, die ein spontanes Abweichen vom Prozess erfordern. Manche Unternehmen überleben nur deshalb, weil es zum Glück oft genug Leute gibt, die den Prozess verlassen.

Für Führungspersonen in der Verantwortung für Prozesse ist der Blick auf die Abweichungen also zentral. Nur wenn wir ein gemeinsam konstruiertes Bild über den Prozess haben, können wir die gelebte Alltagspraxis mit diesem Prozessbild vergleichen. Dann entscheiden wir, ob eine Abweichung irrelevant ist und wir sie "laufen lassen" können, oder ob die beobachtete Abweichung für unsere Zusammenarbeit relevant ist und wir sie nach den oben genannten Optionen bewerten müssen.

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