Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
Sowohl aufseiten des Unternehmens als auch bei den Beschäftigten können sich Umstände ergeben, die zu ungünstigen Arbeitszeiten führen. So kann ein Krankenhaus ohne Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit nicht funktionieren. Auch bei einzelnen Mitarbeitern kann es zu veränderten Bedürfnissen an die Arbeitszeit kommen, z. B. wenn sie Eltern werden, vorübergehende private Krisen bewältigen müssen oder sich ihre Leistungsfähigkeit verändert.
Um die gesundheitliche Belastung in solchen Fällen möglichst gering zu halten, können die Arbeitszeiten – zumindest vorübergehend – gezielt verändert werden. Außerdem sollten möglichst viele gesundheitsförderliche Maßnahmen zum Ausgleich der psychischen Belastung ergriffen werden.
3.1 Ausgleichende Ressourcen
In manchen Branchen kann auf Schicht-, Nacht- oder Wochenendarbeit nicht verzichtet werden, z. B. im Gesundheitswesen oder im öffentlichen Nahverkehr. Auch die Notwendigkeit von Erreichbarkeit im Privatleben oder Bereitschaftsdiensten lässt sich nicht abschaffen. Die dadurch entstehenden gesundheitlichen Belastungen lassen sich aber zumindest teilweise durch eine möglichst günstige Gestaltung der Arbeitszeit und das Zugänglichmachen von Ressourcen ausgleichen, siehe Abb. 3. So könnten Ruheräume mit Entspannungsmöglichkeiten für die Pause geschaffen werden. Die Arbeitsaufgaben könnten so verteilt werden, dass die schwierigen oder anstrengenden Aufgaben nicht für Zeiten eingeplant werden, zu denen die Beschäftigten müde sind.
Abb. 3: Ressourcen können die Wirkung ungünstiger Arbeitszeiten ausgleichen
Diensthandy bei erweiterter Erreichbarkeit
Eine Projektmanagementfirma erwartet von ihren hochspezialisierten Angestellten eine erweiterte Erreichbarkeit für Kunden auch außerhalb der Arbeitszeit. Daher werden für alle Diensthandys zur Verfügung gestellt. Damit die Beschäftigten nicht mit einem privaten und einem beruflichen Smartphone unterwegs sein müssen, schafft die Firma Handys mit 2 SIM-Karten an. So kann der dienstliche Teil für die freie Zeit in einen Ruhemodus umgestellt werden, während die private Nutzung weiterhin unbegrenzt möglich ist.
Ausgleichende Maßnahmen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung
Gerade Firmen, die aufgrund ihrer Aufgaben keine optimalen Arbeitszeiten anbieten können, sollten möglichst viele ausgleichende Ressourcen entwickeln und zur Verfügung stellen. Dies ist auch im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes notwendig, das bei möglichen psychischen Belastungen entsprechende Gegenmaßnahmen durch den Arbeitgeber vorschreibt.
3.2 Alternde Beschäftigte
Seitdem die Altersteilzeit nicht mehr gefördert wird, erhöht sich der Anteil der über 60-Jährigen im Erwerbsleben ständig. Jüngere Beschäftigte werden bis zu einem Alter von mindestens 67 Jahren arbeiten. Wie kann die Arbeitszeit gestaltet werden, sodass auch ältere Erwerbstätige möglichst wenig psychisch belastet werden?
Die Leistungsfähigkeit sinkt mit zunehmendem Alter nicht bei allen Menschen gleichmäßig ab. Neben dem Lebensstil tragen insbesondere auch die Arbeitsbedingungen zum Gesundheitszustand und zur Leistungsfähigkeit im fortgeschrittenen Alter bei. Menschen, die immer in einem ungünstigen Schichtmodell gearbeitet haben, verfügen später über weniger Ressourcen zur Erholung. Dabei steigt im Laufe des Lebens der Bedarf an kurz- und langfristiger Erholung.
Natürlich fallen körperlich anstrengende Arbeiten älteren Beschäftigten zunehmend schwerer, aber auch mentale Belastungen können auf Dauer sehr schwerwiegend sein, z. B.:
- andauernde Aufmerksamkeit (Kontroll- oder Überwachungsarbeiten am Bildschirm, Korrektur lesen …),
- eingeschränkte Möglichkeiten zur Selbststeuerung, beispielsweise durch Unterbrechungen oder Zeitdruck,
- häufige überlange Arbeitszeiten,
- Schichtarbeit mit regelmäßigen Nachtdiensten.
Kumulierte Beanspruchung
Treten mehrere Belastungen gleichzeitig auf, so steigt die psychische Beanspruchung!
Eine alternsgerechte Gestaltung der Arbeitszeit heißt vor allem, mehr Freiräume für die Einteilung der Aufgaben, die Verteilung der Pausen und wechselnde Tätigkeiten zu schaffen.
Bei Überlegungen zur Gestaltung der Arbeitszeit für ältere Beschäftigte sollte auch über die Dauer der Lebensarbeitszeit bzw. den Zeitpunkt des Renteneintritts nachgedacht werden. Ein längerer Verbleib im Berufsleben kann durchaus dazu beitragen, geistig aktiv und kognitiv leistungsfähig zu bleiben. Andererseits wissen wir, dass lange Arbeitstage und bestimmte Tätigkeiten u. U. Erschöpfung und Stress verursachen. So könnten die positiven Effekte einer längeren Lebensarbeitszeit durch die negativen Folgen von geistigem und körperlichem Stress zunichtegemacht werden. Aus einer großen australischen Studie lässt sich ableiten, dass ein späterer Renteneintritt durchaus zum Erhalt geistiger Fähigkeiten beitragen kann. Allerdings müssten dann vermehrt Teilzeitmodelle angeboten werden. Optimal für Ältere scheint eine Wochenarbeitszeit zwischen 22 und 30 Stunden zu sein.
Übrigens: Alternsgerechte Arbeitszeitmodelle sollten nicht erst bei älteren Beschäftigten ei...