Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
3.1 Arten von Krisen
Es lassen sich 2 Arten von Krisen unterscheiden. Zu den akuten Krisen gehören alle plötzlich eintretenden Ereignisse, die zu gravierenden Veränderungen im privaten Bereich oder einer starken Störung der Betriebsabläufe und der Produktion führen können. Das sind z. B.:
- Krankheitsepidemien,
- Naturkatastrophen, wie Erdbeben, Fluten, Hagelstürme u. Ä.,
- Finanzkrisen, z. B. Firmen- oder Bankenzusammenbrüche, Privatinsolvenz,
- Unfälle, Anschläge,
- Diebstahl, Betrug, Wirtschaftsspionage.
In Abgrenzung zu den akuten Ereignissen gibt es auch schleichende oder chronische Krisen. Schleichende Krisen haben eine längere Vorlaufzeit und wären schon im Vorweg erkennbar. Dennoch werden die Warnzeichen oft lange ignoriert, bis die Auswirkungen ein deutlich spürbares Maß erreicht haben.
Zu den schleichenden Krisen gehören z. B.:
- stetig eskalierende Konflikte,
- chronische Krankheiten,
- steigender Konkurrenzdruck durch Globalisierung und Digitalisierung,
- Umstrukturierungen, technischer Wandel,
- demografischer Wandel, Fachkräftemangel,
- steigende psychische Belastungen am Arbeitsplatz.
Akute Krisen sind selten. Sie erfordern ein schnelles Handeln in einer unerwarteten und unbekannten Situation. Schleichende Krisen stellen dagegen oft einen Dauerzustand dar, an den man sich so gewöhnt, dass die Schwelle zur akuten Krise oft nicht mehr rechtzeitig wahrgenommen wird. So kann aus einer schleichenden, vorhersehbaren und beherrschbaren Krise ein scheinbar akutes Notfallereignis werden. Gerade für schleichende Krisen ist ein präventives Vorgehen möglich und empfehlenswert. Bei akuten Notfällen ist nur noch ein Reagieren möglich.
3.2 Resilienz als Bausteinmodell
Dem Begriff Resilienz liegt kein einheitliches psychologisches Konzept zugrunde. Verschiedene Experten arbeiten mit unterschiedlichen Konzepten, die sich zwar teilweise überschneiden, aber jeweils andere Faktoren umfassen oder die Wichtigkeit der einzelnen Faktoren anders gewichten. Wichtig für die praktische Arbeit in der Resilienzförderung ist aber, ein Konzept zugrunde zu legen, damit Maßnahmen nicht beliebig, sondern nachvollziehbar durchgeführt werden.
In allen psychologischen Resilienzmodellen werden sowohl äußere Kraftquellen und Schutzfaktoren, als auch innere genannt. Zu den äußeren Schutzfaktoren gehört immer ein stabiles soziales Netzwerk. Zu den inneren Resilienzfaktoren eines Menschen können bestimmte Verhaltensweisen gehören, z. B. Probleme aktiv anzupacken. Es gehören aber auch Einstellungen und Moralvorstellungen dazu, die in schwierigen Situationen Halt geben können.
Individuelle Resilienzentwicklung
Es ist hilfreich, die verschiedenen Resilienzfaktoren als ein Bausteinmodell zu betrachten. Nicht alle Menschen müssen über die gleichen Resilienzfähigkeiten verfügen; es kann durchaus unterschiedliche Zusammenstellungen von Stärken und Schutzfaktoren geben. So entwickeln Menschen im Laufe des Lebens ihr eigenes Resilienzprofil.
3.3 Wissenschaftliche Evidenz
Während viele Autoren ihr eigenes Resilienzmodell propagieren, gibt es auch wissenschaftliche Forschungen dazu, welche Resilienzfaktoren besonders wirksam sind. So hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) eine Meta-Analyse verschiedener Studien durchgeführt und die wichtigsten Resilienzfaktoren herausgearbeitet, die auch noch nach ihrer Wirksamkeit gewichtet wurden (Abb. 1).
Abb. 1: Resilienzfaktoren nach BZgA
Zu den wirksamsten Faktoren zählen demnach die soziale Unterstützung und das Vertrauen in die eigene Kompetenz. Danach kommen das aktive Bewältigen von Problemen, das Definieren und Verfolgen von Zielen sowie positive Emotionen. Als noch wirksam, aber nicht ganz so stark ausgeprägt, erwiesen sich ein starkes Selbstwertgefühl und Kontrollüberzeugungen (die Überzeugung, die Umgebung und das eigene Leben zumindest teilweise steuern zu können).
3.4 Stufenmodell der Resilienz nach Al Siebert
Der amerikanische Psychologe Al Siebert hat ein Resilienzmodell entwickelt, dessen Besonderheit ein stufenweiser Aufbau ist (Abb. 2). Er stellte nicht alle Faktoren nebeneinander, sondern benannte eine Grundstufe mit Basisfertigkeiten und -verhaltensweisen, die sich erlernen lassen. Darüber stellte er eine Aufbaustufe, die fortgeschrittenere Fähigkeiten und Einstellungen umfasst. Dieses Modell ist sehr gut als Grundlage für die praktische Umsetzung einer Resilienzförderung geeignet – sowohl für die eigene Entwicklung, als auch für den Einsatz in Unternehmen.
Abb. 2: Stufenmodell der Resilienz nach Al Siebert
Die Grundstufe umfasst die beiden Faktoren "Persönliches Wohlbefinden" (worunter auch der wichtigste Resilienzfaktor der sozialen Kontakte fällt) und Fertigkeiten zum Problemlösen.
In der praktischen Anwendung kann man jede Ebene des Modells durchgehen und prüfen, mit welchen praktischen Maßnahmen sich die Resilienz jeweils fördern lässt.