rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit einer Aufrechnung des Finanzamts eines während des Insolvenzverfahrens entstandenen, Einkommensteuererstattungsanspruchs mit einer vor der Insolvenzeröffnung entstandenen Steuerforderung
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird eine Einkommensteuerveranlagung für ein nach dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerpflichtigen beginnendes Steuerjahr durchgeführt und ergibt sich aufgrund des Lohnsteuereinbehalts bei den Arbeitseinkünften ein Steuererstattungsanspruch, so stellt dieser Erstattungsanspruch eine Masseforderung dar, gegen die das Finanzamt nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht mit noch offenen, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Steuerforderungen gegen den nunmehrigen Gemeinschuldner aufrechnen darf.
2. Denn durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht gemäß § 80 Abs. 1 InsO das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über und die Insolvenzgläubiger können ab diesem Zeitpunkt gemäß § 87 InsO ihre Forderungen nur nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften verfolgen, wozu gehört, dass die Aufrechnung durch Insolvenzgläubiger gegen zur Insolvenzmasse gehörende Forderungen nur nach den §§ 94 bis 96 InsO möglich ist.
3. Das gilt auch dann, wenn die Lohneinkünfte des Gemeinschuldners möglicherweise den Pfändungsschutzregelungen der §§ 850 ff. ZPO unterliegen; Erstattungsansprüche des Arbeitnehmers wegen überzahlter Einkommensteuer (Lohnsteuer) sind nicht Bestandteil des Arbeitseinkommens im Sinne der §§ 850 f. ZPO.
Normenkette
AO § 218 Abs. 2; InsO §§ 35-36, 80 Abs. 1 Nr. 1, § 96 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 850
Tenor
1. Unter Änderung des Abrechnungsbescheides für die Einkommensteuer 2005 vom 30. August 2007 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 31. März 2008 wird ein Erstattungsbetrag zur Insolvenzmasse in Höhe von 979,– EUR Einkommensteuer und 59,98 EUR Solidaritätszuschlag festgestellt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist seit 11. Oktober 2004 Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des A. D. (im Folgenden: Schuldner). Dieser erzielte in 2005 insgesamt einen Bruttoarbeitslohn aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 29.867,– EUR und bezog laut Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit für den Zeitraum vom 1. Mai 2005 bis 31. Juli 2005 Insolvenzgeld in Höhe von 4.976,– EUR. Am 24. Januar 2007 reichte der Schuldner eine Einkommensteuererklärung für 2005 ein, die der Kläger mit Schreiben vom 13. Februar 2007 als mit den ihm vorliegenden Informationen übereinstimmend genehmigte.
Mit Bescheid vom 2. Mai 2005 setzte der Beklagte (das Finanzamt) die Einkommensteuer 2005 für den Schuldner auf 5.118,– EUR und den Solidaritätszuschlag auf 234,35 EUR fest. Im Abrechnungsteil des Bescheides ist dargestellt, dass sich unter Berücksichtigung des Steuerabzugs vom Lohn ein Erstattungsbetrag zu Gunsten des Schuldners von 979,– EUR Einkommensteuer und 59,98 EUR Solidaritätszuschlag ergibt. Der Bescheid wurde an den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners adressiert.
Den Erstattungsbetrag von insgesamt 1.038,98 EUR zahlte das Finanzamt nicht zur Insolvenzmasse aus, sondern rechnete diesen mit der zur Tabelle angemeldeten rückständigen Einkommensteuer 1999 auf, die auf einem Bescheid vom 20. April 2004 beruht. Auf Antrag des Klägers erließ das Finanzamt am 30. August 2007 gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) einen Abrechnungsbescheid für die Einkommensteuer 2005, in dem es die vorgenommene Verrechnung darstellte und mitteilte, dass das Konto des Schuldners hinsichtlich der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags 2005 ausgeglichen sei (Blatt 14 der Rechtsbehelfsakte). Das gegen den Abrechnungsbescheid durchgeführte Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 31. März 2008).
Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, dass das Finanzamt den Erstattungsbetrag aus der Einkommensteuerfestsetzung 2005 zu Unrecht mit zur Tabelle angemeldeten Einkommensteuerforderungen für 1999 verrechnet habe. Der Abrechnungsbescheid verstoße gegen die Vorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO), nach der ein Aufrechnungsverbot mit Forderungen bestehe, die der Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Verfahrens zur Masse schuldig geworden sei. Es sei falsch, wenn das Finanzamt davon ausgehe, dass der Pfändungsschutz des Arbeitseinkommens auch zu seinen Gunsten gelte. Soweit ein Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuer auf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeführter Lohnsteuer beruhe, sei eine Au...