Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Sanktionsbescheid. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Begründung einer Ermessensentscheidung. Anforderung. Erforderlichkeit einer einstweiligen Anordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz gegen einen Sanktionsbescheid nach § 31 SGB 2, mit dem eine bewilligte Leistung abgesenkt worden ist, ist mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches oder der Klage nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG zu gewähren.
2. Zu den Anforderungen an die Begründung einer Ermessensentscheidung.
Orientierungssatz
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist neben der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur erforderlich, wenn die begehrte Leistung zuvor von der Verwaltung nicht oder nicht im beantragten Umfang bewilligt worden ist.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin werden Ziffer I und II des Beschlusses des Sozialgerichtes Leipzig vom 1. Februar 2008 abgeändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 20. Dezember 2007 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Dezember 2007 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind die Entscheidungen unter Ziffer I und II des Beschlusses des Sozialgerichtes Leipzig vom 1. Februar 2008. Nur hierauf erstreckt sich die Beschwerde.
II. Die in diesem Sinne beschränkte Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes, der nach der Teilerledigung im erstinstanzlichen Verfahren nur noch den Antrag auf Anordnung der aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 20. Dezember 2007 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Dezember 2007 betrifft, abgelehnt und die außergerichtlichen Kosten für gegeneinander aufgehoben erklärt.
Die ablehnende Entscheidung unter Ziffer I des Beschlusses war, soweit der Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wurde, bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Einen solchen Antrag hat die anwaltlich vertretene Antragstellerin nicht gestellt. Es bestand auch keine Veranlassung, den ausdrücklich gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 39 Nr. 1 des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG umzudeuten. Maßgebend für die Bestimmung, in welcher Weise vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz zu gewähren ist, ist der im Hauptsacheverfahren statthafte Rechtsbehelf. Die Antragstellerin wendet sich gegen den auf der Grundlage von § 31 SGB II erlassenen Sanktionsbescheid vom 6. Dezember 2007. Richtige Klageart ist hier die Anfechtungsklage. Im Recht des vorläufigen Rechtsschutzes wird die Anfechtungsklage, wenn sie - wie vorliegend - keine aufschiebende Wirkung hat, von der Anordnung einer aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG flankiert. Damit ist nach dem Wortlaut von § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG aber der Erlass einer einstweiligen Anordnung ausgeschlossen. Er ist im Übrigen auch nicht erforderlich. Denn im Falle der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des gegen den Sanktionsbescheid gerichteten Widerspruches lebt die Verpflichtung der Antragsgegnerin wieder auf, die im Bescheid vom 16. August 2007 bewilligten und vom Sanktionsbescheid betroffenen Leistungen zu erbringen.
Zur Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes wäre der Erlass einer einstweiligen Anordnung neben der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur erforderlich, wenn die begehrte Leistung zuvor von der Verwaltung nicht oder nicht im beantragten Umfang bewilligt worden ist (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 16. Juli 2007 - L 3 B 414/06 AS-ER -). Ein solcher Sonderfall war hier jedoch nicht gegeben. Die Antragstellerin begehrt im vorliegenden Verfahren keine höheren als die mit Bescheid vom 16. August 2007 bewilligten Leistungen.
Ebenfalls war aus verfahrensrechtlichen Gründen die Entscheidung unter Ziffer I insoweit aufzuheben, als das Sozialgericht ausgehend von dem selbst formulierten Antrag auch die vorläufige Bewilligung von Leistungen für März 2008 abgelehnt hat. Einen auf diesen Monat bezogenen Leistungsantrag hatte die anwaltlich vertretene Antragstellerin nicht gestellt. Allein der Umstand, dass der Bewilligungsbescheid vom 16. August 2007 nur den Leistungszeitraum bis Februar 2008, der angefochtene Sanktionsbescheid hingegen den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. März 2008 umfasst, mithin über den bisherigen Bewilligungszeitraum hinausgeht, rechtfertigt nicht, bei einem anwaltlich vertretenen Antragsteller den ausdrücklich gestellten Antrag erweiternd auszulegen. Soweit seitens des Sozialgerichtes an der Reichweite des Rechtschutzbegehrens der Antragstellerin Zweifel bestanden haben sol...