Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltpunkte für Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 und in § 307d SGB 6
Orientierungssatz
1. Zum Zusammentreffen von Pflichtbeiträgen wegen Beschäftigung mit Kindererziehungszeiten.
2. § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 bewirkt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung (vgl BVerfG vom 29.8.2007 - 1 BvR 858/03 = BVerfGK 12, 81).
3. Auch im Hinblick auf den in § 307d SGB 6 geregelten Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung ist eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nicht ersichtlich.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 10. Juli 2018 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung höherer Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten neben gleichzeitigen Pflichtbeitragszeiten für eine pflichtversicherte Beschäftigung streitig.
Die ... 1954 geborene Klägerin ist Mutter ihrer ... 1978 und ... 1979 geborenen Kinder.
Auf ihren Antrag bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 26.8.2016 der Klägerin Altersrente für langjährig Versicherte ab 1.9.2016. Der monatliche Zahlbetrag belief sich auf 998,25 €. Bei der Rentenberechnung berücksichtigte die Beklagte den Zeitraum vom 1.6.1978 bis 31.5.1982 als Zeiten der Kindererziehung. Der Rentenberechnung lagen 41,4069 persönliche Entgeltpunkte (Ost) zugrunde, wobei 3,9639 Entgeltpunkte (Ost) auf Kindererziehungszeiten entfielen. Dabei berücksichtigte die Beklagte für jeden Monat der Kindererziehungszeiten 0,0833 Entgeltpunkte. In dem streitigen Zeitraum vom 1.3.1982 bis 31.5.1982 kam es zu einer Überschreitung der Höchstwerte an Entgeltpunkten, die ein Versicherter, dessen beitragspflichtige Einnahmen die Betragsbemessungsgrenzen erreichten, erzielen kann. Die Beklagte begrenzte daher die zu berücksichtigenden Entgeltpunkte, die sich für Kindererziehungszeiten neben Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung in den Monaten März bis Mai 1982 ergaben, auf die Höchstbeträge der Anlage 2b zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), so dass für diese Zeiten die zusätzlichen Entgeltpunkte für Zeiten der Kindererziehung von monatlich 0,0833 Entgeltpunkten reduziert wurden.
Hiergegen legte die Klägerin am 6.9.2016 bei der Beklagten Widerspruch ein, mit dem sie sich gegen die Begrenzung der Entgeltpunkte für Zeiträume des Zusammentreffens von Kindererziehungszeiten und versicherungspflichtiger Beschäftigung unter Bezugnahme auf einen Beschluss des Sozialgerichts Neubrandenburg (S 4 RA 152/03) wandte.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.7.2017 zurück. Nach der Rechtsprechung sei die Begrenzung auf die Werte der Anlage 2b zum SGB VI verfassungsgemäß.
Hiergegen hat die Klägerin am 9.8.2017 Klage zum Sozialgericht Dresden erhoben. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Ungleichbehandlung verschiedener Personengruppen, die dazu führe, dass sich Kindererziehungszeiten nicht bei allen Versicherten in gleicher Weise günstig auf die Rente auswirkten, mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren wäre. § 70 Abs. 2 SGB VI i. V. m. der Anlage 2b zum SGB VI sei entsprechend dieser Maßstäbe mit diesem Grundsatz unvereinbar. Die Kindererziehungsleistung, die für das umlagefinanzierte System Rentenversicherung von konstitutiver Bedeutung sei (“Generationsvertrag„), als weitere von der Beitragszahlung unabhängige und eigenständige Vorleistung sei mangels Entgeltcharakter und daraus resultierender Beitragszahlung für die Beitragsbemessungsgrenze nicht relevant. Die Werte der Anlage 2b zum SGB VI seien nicht die Beitragsbemessungsgrenze, sondern nur der Beitragsbemessungsgrenze nachgebildet. Sinn der Beitragsbemessungsgrenze sei es, eine Obergrenze für die der Beitragspflicht unterliegenden Entgelte zu schaffen. Damit korrespondiere, dass entsprechend der Höhe der beitragspflichtigen Entgelte, die in der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze ihre Höchstgrenze fänden, nur daraus die Entgeltpunkte für die Höhe des Rentenanspruches zu ermitteln seien. Die Vorleistung sei also die Beitragszahlung, die Gegenleistung der daraus resultierende Rentenanspruch. Träte nun zu der Vorleistung der Beitragszahlung eine weitere Vorleistung in Form der generativen Leistung der Kindererziehung hinzu, erschließe es sich nicht, warum diese weitere Form der Vorleistung bei der Ermittlung der Gesamtentgeltpunkte auf einen Wert begrenzt werden müsse, der der Beitragsbemessungsgrenze nur aus der Beitragsleistung entspreche. Beitragszahlungen und Kindererziehungen seien als Vorleistungen gerade nicht gleichartig, weshalb ihre Begrenzung auf einen Leistungshöchstwert, hinter dem die Beitragsbemessungsgrenze stehe, wie das bei Anlage 2b zum SGB VI der Fall wäre, jedenfalls dann mit Artikel 3 Abs. 1 GG unvereinbar sei, wenn dies...