Entscheidungsstichwort (Thema)
Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Eingliederungshilfe. soziale Teilhabe. Hilfsmittel. Therapiedreirad. Vorrang der medizinischen Rehabilitation. Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung. Behinderungsausgleich. Erforderlichkeit des Hilfsmittels
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Abgrenzung von Hilfsmitteln im Sinne der Medizinischen Rehabilitation und der Sozialen Rehabilitation (Eingliederungshilfe)
2. Zu den Voraussetzungen eines Hilfsmittels (Therapiedreirad) als Soziale Teilhabeleistung im Bereich der Eingliederungshilfe.
Tenor
I. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 5. Februar 2019 unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten dahingehend abgeändert, dass der Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2016 verurteilt wird, die Kosten des Therapiedreirads "Easy Rider II" in Höhe von 8.519,75 EUR nach dem Kostenvoranschlag des RRC Reha Rad Centrums Y.... vom 10. März 2016 zu übernehmen.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu erstatten. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten für ein Therapiedreirad durch den Beklagten streitig.
Der 1969 geborene Kläger erlitt im Jahr 2011 auf Grund einer Bluthochdruckerkrankung eine Stammhirnblutung und einen Herzinfarkt, wegen derer gesundheitlichen Folgen er schwerbehindert ist. Seine Sensomotorik ist stark eingeschränkt, er ist weder arbeits- noch erwerbsfähig. Zur Fortbewegung nutzt er einen Rollator, eine Gehhilfe sowie einen Aktivrollstuhl. Für das Training zu Hause steht ihm ein sog. MOTOMED zur Verfügung. Der Kläger steht beim Beklagten im Bezug vorläufiger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII; Bescheid des Beklagten vom 17.07.2020) in Höhe von monatlich 1.004,90 EUR und erhält aus einer Beschäftigung bei der X.... Werkstätten gGmbH eine monatliche Vergütung in Höhe von 136 EUR. Verwertbares Vermögen ist nicht vorhanden.
Zur Stärkung und Verbesserung seiner Mobilität und Gesundheit verordnete der Hausarzt Dr. W...., Facharzt für Allgemeinmedizin, dem Kläger am 18.02.2016 ein mit einer elektrischen Tretunterstützung ausgerüstetes Therapiedreirad "Easy Rider II". Der daraufhin vom Kläger eingeholte Kostenvoranschlag des RRC Reha-Rad-Centrums Y.... beziffert die voraussichtlichen Kosten hierfür auf 8.519,75 EUR.
Mit Schreiben vom 11.03.2016 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen zu 1. die Kostenübernahme für das von ihm begehrte Therapiedreirad. Die Beigeladene zu 1. leitete den Antrag mit Schreiben vom 16.03.2016 an das Sozialamt der Beigeladenen zu 2. weiter, da eine Zuständigkeit der Krankenkasse nicht gegeben sei. Die Beigeladene zu 2. leitete ihrerseits den Antrag ohne weitere Informationen per Fax am 18.03.2016 an den Beklagten weiter.
Mit Bescheid vom 21.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.05.2016 lehnte der Beklagte die begehrte Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für das Therapiedreirad ab. Der Arzt des Klägers habe zwar mit Datum vom 10.04.2016 bestätigt, dass das Therapiedreirad zum intensiven Training geeignet sei und die gestörte Sensomotorik des Klägers reduzieren und dessen Stabilität sichern solle. Bei dem Therapiedreirad handele es sich daher um ein Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung. Soweit der Kläger das Therapiedreirad aber für die Bewältigung von Strecken nutze, die über den Nahbereich der Wohnung hinausgingen, sei es als Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich nicht erforderlich. Es seien nur solche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die dem Grundbedürfnis dienten, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und diese zu verlassen, diese für einen kurzen Spaziergang zu nutzen oder üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen seien. Der Kläger habe dafür bereits vorhandene Mobilitätshilfen, die den benannten Grundbedürfnissen als Hilfsmittel zur Verfügung stünden, wie einen Arthritisrollator in der Wohnung bzw. zum Verlassen dieser einen Aktivrollstuhl. Die spezielle Art der Fortbewegung "Dreirad fahren" sei mit Effekten der Geschwindigkeit und der sportlichen Betätigung verbunden und damit kein Grundbedürfnis des täglichen Lebens. Zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft habe der Kläger darüber hinaus die Möglichkeit, im Landkreis Bautzen den Fahrdienst für behinderte Menschen nach den Richtlinien des Landkreises zur Beförderung von behinderten Menschen zu nutzen. Dem Kläger könne daher die beantragte Sozialhilfeleistung nicht zuerkannt werden.
Hiergegen hat sich die am 15.06.2016 zum Sozialgericht Dresden (...