Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Chemnitz vom 21.9.2022 - L 1 KR 340/21, das vollständig dokumentiert ist.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17. Juni 2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung von Kosten für Fahrten zur Arbeitsstelle während einer stufenweisen Wiedereingliederung ins Erwerbsleben.
Der 1977 geborene, bei der beklagten Krankenkasse versicherte und als Techniker beschäftigte Kläger war vom 06.08.2018 bis 16.12.2018 arbeitsunfähig erkrankt (Diagnosen ursprünglich ICD-10-GM L92.9, R51, später H91.9, D33.2, M54.2, J11.1, F 32.1) und bezog währenddessen Krankengeld. Rehabilitationsmaßnahmen wurden in diesem Zeitraum nicht in Anspruch genommen, lediglich Physiotherapie.
Am 22.11.2018 erstellte die behandelnde Hausärztin für den Kläger einen ärztlichen Wiedereingliederungsplan, nach dem vom 03.12.2018 bis 14.12.2018 eine stufenweise Wiedereingliederung stattfinden sollte. Dieser Plan, dem der Kläger und sein Arbeitgeber zustimmten, ging der Beklagten am 27.11.2018 zu. Mit Schreiben vom 30.11.2018 stimmte diese der stufenweisen Wiedereingliederung zu, für deren Dauer der Kläger weiter Krankengeld erhalte. Der Kläger erschien in diesem Zeitraum planmäßig an 10 Arbeitstagen an seinem Arbeitsplatz (einfache Wegstrecke vom Wohnort 20 km) und erhielt von der Beklagten bis zum 16.12.2018 (letzter Tag der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit) Krankengeld.
Den Antrag des Klägers vom 12.12.2018 auf Übernahme der Fahrtkosten während der stufenweisen Wiedereingliederung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.12.2018 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 21.02.2019 ab. Nach § 60 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) übernähmen die Krankenkassen Fahrkosten nur im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Um eine solche Leistung handele es sich bei der stufenweisen Wiedereingliederung nach 74 SGB V nicht.
Dagegen hat der Kläger am 28.02.2019 beim Sozialgericht (SG) Dresden Klage erhoben. Das SG Neuruppin habe mit Urteil vom 26.01.2017 - S 22 R 127/14 - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) einen Anspruch auf Fahrkostenübernahme während einer stufenweisen Wiedereingliederung bejaht.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben stelle keine Leistung der medizinischen Rehabilitation im Sinne der §§ 40 ff. SGB V dar.
Mit Urteil vom 17.06.2020 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2019 verurteilt, dem Kläger Fahrkosten in Höhe von 85,00 € für die stufenweise Wiedereingliederungsmaßnahme zu zahlen, und die Berufung zugelassen. Der Anspruch des Klägers ergebe sich aus § 60 Abs. 5 SGB V i.V.m. § 73 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Bei der stufenweisen Wiedereingliederung handele es sich um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation, mit der die geltend gemachten Fahrkosten "im Zusammenhang" stünden. Die stufenweise Wiedereingliederung sei ein Vertragsverhältnis eigener Art zwischen dem noch arbeitsunfähigen Versicherten und dem Arbeitgeber, dessen rehabilitatives Ziel darin bestehe, langfristig erkrankte Versicherte wieder nachhaltig in das Berufsleben einzugliedern. Trotz der "betrieblichen Durchführung" sei die stufenweise Wiedereingliederung wegen ihres vorrangig therapeutischen Zwecks den Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation zuzuordnen. Zwar werde die stufenweise Wiedereingliederung nicht ausdrücklich im Fünften Abschnitt des SGB V genannt. Dies ändere indessen nichts daran, dass es sich gleichwohl um eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation handele. Soweit das BSG in seinem späteren Urteil vom 05.02.2009 - B 13 R 27/08 R - maßgeblich auf den Zusammenhang der stufenweisen Wiedereingliederung mit einer vorangegangenen "klassischen" Rehabilitationsmaßnahme abstelle, bedeute dies nicht, dass die stufenweise Wiedereingliederung für sich allein keine medizinische Rehabilitation darstelle. Das BSG setze diesen Fokus nur, um die Zuständigkeit der einzelnen Rehabilitationsträger gegeneinander abzugrenzen. Die grundsätzliche Qualifikation als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation schließe es aus, die stufenweise Wiedereingliederung den in § 43 SGB V genannten, nur ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation zuzuordnen, bei denen eine Fahrkostenerstattung ausscheide. Es handele sich vielmehr um eine Hauptleistung der medizinischen Rehabilitation. Der Beklagten sei zwar zuzugeben, dass bei der stufenweisen Wiedereingliederung anders als z.B. bei anderen medizinischen Rehabilitationsleistungen kein von der Krankenkasse beauftragter Leistungserbringer konkrete Behandlungen am Versicherten durchführe. Dies ...