Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltpunkte für Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 und in § 307d SGB 6
Leitsatz (amtlich)
§ 70 Abs 2 S 2 SGB VI iVm Anl 2b SGB VI ist verfassungsgemäß.
Orientierungssatz
Auch im Hinblick auf den in § 307d SGB 6 geregelten Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung ist eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nicht ersichtlich.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 1. Juni 2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung einer höheren Regelaltersrente ab 1. August 2015 unter Berücksichtigung höherer Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten neben gleichzeitigen Pflichtbeitragszeiten für eine pflichtversicherte Beschäftigung hat.
Die 1950 geborene Klägerin ist Mutter der 1972 sowie 1979 geborenen Kinder C. und D. und bezieht aufgrund Rentenantrages vom 17. Juni 2015 Regelaltersrente seit 1. August 2015, die ihr mit Rentenbescheid vom 20. August 2015 bewilligt wurde. Der Rentenbescheid vom 20. August 2015 wies einen monatlichen Rentenzahlbetrag ab 1. August 2015 in Höhe von 1.065,20 Euro aus. Der Berechnung der Rente legte die Beklagte 44,0232 persönliche Entgeltpunkte (Ost) mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) in Höhe von 27,05 Euro monatlich zu Grunde. Dabei begrenzte sie die zu berücksichtigenden Entgeltpunkte, die sich für Kindererziehungszeiten neben Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung in den Monaten August 1972, September 1973 bis März 1974, April bis Mai 1979 und Januar 1980 bis März 1981 ergaben, auf die Höchstbeträge der Anlage 2b zum Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI), so dass für diese Zeiten die zusätzlichen Entgeltpunkte für Zeiten der Kindererziehung von monatlich 0,0833 Entgeltpunkten reduziert wurden.
Hiergegen erhob die Klägerin am 31. August 2015 Widerspruch und wandte sich gegen die Begrenzung der Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten durch die Höchstgrenzen nach Anlage 2b SGB VI. Die Begrenzung der Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten auf die Höchstwerte nach Anlage 2b SGB VI verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Insofern erscheine eine verfassungsgerichtliche Klärung erforderlich.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2015 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Bewertung der Kindererziehungszeiten sei in § 70 Abs. 2 SGB VI geregelt. Beim Zusammentreffen von Kindererziehungszeiten mit anderen Beitragszeiten, seien die Entgelte nur bis zur Grenze der Anlage 2b SGB VI zu berücksichtigen. Dies sei geltendes Recht und verfassungsgemäß, wie das Bundessozialgericht (BSG) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in der Vergangenheit bereits mehrfach bestätigt hätten.
Die hiergegen am 10. November 2015 erhobene Klage hat das Sozialgericht Dresden mit Gerichtsbescheid vom 1. Juni 2017 abgewiesen: § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sei eindeutig und nicht verfassungswidrig, wie das BVerfG bereits im Nichtannahmebeschluss vom 29. August 2007 (1 BvR 858/03) ausgeführt habe. Dadurch, dass mit Wirkung vom 1. Juli 2014, ohne Einzelprüfung, Müttern, die vor dem 1. Januar 1992 geboren hätten, für die zuvor nicht honorierten Kindererziehungszeiten pauschal ein Entgeltpunkt zusätzlich gewährt worden sei, wenn am 30. Juni 2014 bereits ein Rentenanspruch bestanden habe, werde in einer verwaltungspraktikablen Form die bisher noch vorhandene Benachteiligung einer erheblichen Zahl von Bestandsrentnerinnen beseitigt. § 307d SGB VI benachteilige von seiner Zielrichtung her nicht die Klägerin, sondern beseitige die Benachteiligung anderer Personengruppen.
Gegen den am 9. Juni 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20. Juni 2017 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren, weiterverfolgt. Sie rüge primär die Verfassungswidrigkeit von § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Ihr Erziehungsbeitrag zum “Generationenvertrag„ werde nicht angemessen honoriert, sondern wegen ihrer gleichzeitigen Pflichtbeitragszeiten gekürzt. Insofern seien auch noch verfassungsgerichtliche Verfahren anhängig. Außerdem bestehe auch eine Ungleichbehandlung bei der Bewertung der Kindererziehungszeiten zwischen Bestands- und Zugangsrentnern.
Die Klägerin beantragt - sinngemäß und sachdienlich gefasst -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 1. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Rentenbescheid vom 20. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2015 abzuändern und ihr Regelaltersrente ab 1. August 2015 unter unbegrenzter Anrechnung von Entgeltpunkten für Beitragszeiten der Kindererziehung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Ger...