2.1 Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (Abs. 1)
Rz. 4
§ 115 Nr. 1 verweist im Rahmen der allgemeinen Teilhabeleistungen auf die Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§§ 44 ff.). Als Ausnahme von der Regel können nach § 116 Abs. 1 diese allgemeinen Leistungen auch erbracht werden, wenn Menschen mit Behinderungen – abweichend von den Regelvoraussetzungen der §§ 44, 45 – nicht arbeitslos sind, weil sie z. B. in Beschäftigung stehen. Als weitere Voraussetzung muss mit den Leistungen eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden können. Im Ergebnis sind Sachverhalte mit den erweitern Zugangsvoraussetzungen durch vermittlungsunterstützende Leistungen förderbar, bei denen eine dauerhafte berufliche Perspektive mit aktuell ausgeübter Beschäftigung nicht besteht. Zwangsläufig ist jedoch kein Arbeitgeberwechsel erforderlich, auch die dauerhafte Sicherung einer Tätigkeit (sozialversicherungspflichtige Arbeit oder Ausbildung) beim gleichen Arbeitgeber ist mit vermittlungsunterstützenden Leistungen denkbar.
Rz. 5
Hinsichtlich der Definition der Arbeitslosigkeit wird auf die Kommentierung zu § 16 Abs. 1 verwiesen. Entsprechend § 16 Abs. 2 spricht nichts dagegen, eine Förderung mit allgemeinen Leistungen während einer laufenden Maßnahme der aktiven Arbeitsförderung zur dauerhaften Eingliederung in ein Arbeitsverhältnis vorzunehmen. Im Übrigen müssen die sonstigen Voraussetzungen der Leistungen in §§ 44 und 45 vorliegen. Eine Anwendung der Sonderregelung von § 116 Abs. 1 ist jedoch entbehrlich, wenn beschäftigte Menschen mit Behinderungen bereits von Arbeitslosigkeit bedroht sind (vgl. auch Definition in § 17 sowie zur Bedrohung durch Arbeitslosigkeit BSG, Urteil v. 29.1.2008, B 7/7a AL 20/06 R). Dieser Sachverhalt ist als Regelvoraussetzung bereits in den §§ 44 und 45 und damit über die Verweisung in § 115 Nr. 1 für Menschen mit Behinderungen vorgesehen. Keine Anwendung findet die Vorschrift auf die Probebeschäftigung und Arbeitshilfe für Menschen mit Behinderungen (§ 46), weil die Arbeitslosigkeit hier keine Tatbestandsvoraussetzung für die Arbeitgeberförderung ist, sodass eine Gewährung von allgemeinen Leistungen bereits über § 115 regulär möglich wäre.
Rz. 6
Die zuständige Agentur für Arbeit als Rehabilitationsträger hat eine Prognoseentscheidung über die dauerhafte Teilhabe zu treffen (vgl. zur prognostischen Beurteilung der Erfolgsaussichten BSG, Urteil v. 11.5.2000, B 7 AL 18/99 R). Insofern bedarf es einer Beurteilung, ob durch die Förderentscheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit das neue Arbeitsverhältnis (Anbahnung oder Aufnahme) dauerhaft bestehen wird. Bei einer Fördermaßnahme nach § 45 wäre zu beurteilen, ob eine dauerhafte Eingliederung mit prognostisch höherer Wahrscheinlichkeit eintreten könnte, dürften aber bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis nur berufsbegleitend möglich sein und eine geringe praktische Relevanz darstellen. Im begründeten Einzelfall sind neben unbefristeten Arbeitsverhältnissen, im Einzelfall auch befristete Arbeitsverträge förderbar. Befristete Arbeitsverträge sind im Arbeitsleben und bei Arbeitsplatzwechseln häufig die Regel und dienen als Übergang in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis beim gleichen Arbeitgeber. Falls in einem befristeten Arbeitsverhältnis bestimmte Fertigkeiten vermittelt werden, die in Zukunft eine dauerhafte Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtern, kann ebenfalls eine Leistungsgewährung in Betracht kommen. Bei der Gesamtabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die neue Tätigkeit dem gesundheitlichen Leistungsvermögen entsprechen muss sowie die fachliche Eignung und Neigung gewichtet wird.
2.2 Sonderformen der Aus- und Weiterbildung (Abs. 2)
Rz. 7
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX regelt den Grundsatz, dass Menschen mit Behinderungen in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet werden. Mit der Regelung des Abs. 2 werden Ausnahmen für die Förderung der Berufsausbildung (§§ 56 ff.) und der beruflichen Weiterbildung (§§ 81 ff.) im Rahmen von allgemeinen Leistungen vorgenommen, um den spezifischen Anforderungen von Menschen mit Behinderungen gerecht zu werden. Demzufolge kann eine Förderung auch dann erfolgen, von den üblichen Ausbildungsordnungen der staatlichen Ausbildungsberufe abgewichen oder als Sonderform realisiert werden (zur Abgrenzung bzw. Förderung der beruflichen Aus- oder Weiterbildung vgl. BSG, Urteil v. 27.1.2005, B 7a/7 AL 20/04 R).
Rz. 8
Betroffen sind behindertengerechte Aus- und Weiterbildung in einem regulären staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, die im Rahmen des Berufsbildungsgesetzes (BBiG – vgl. §§ 4, 5 Abs. 2 ff. BBiG) oder der Handwerksordnung (HwO – vgl. §§ 25, 26 Abs. 2 ff. HwO) durchgeführt werden. Sollte bei diesen Ausbildungen eine Abweichung von den Ausbildungsordnungen, z. B. ist hinsichtlich der theoretischen und berufspraktischen Inhalte erfolgen, kann die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der §§ 56 ff., 81 ff. dennoch fördern, wenn diese Aus- oder Weiterbildungen behinderungsbedingt nicht anders absolviert werden können. Stärker im Fokus steht dann auch regelmäßig die Prüfungsvorbereitung...