2.1 Einordnung der Vorschrift und Überblick über das Vierte Kapitel
Rz. 2a
Das Vierte Kapitel regelt die Entgeltersatzleistungen Arbeitslosengeld (Alg) und Insolvenzgeld. Die Leistungen der Arbeitsförderung sind im Dritten und Vierten Kapitel enthalten (§ 3 Abs. 1). Das Übergangsgeld und das Kurzarbeitergeld sind bereits im Dritten Kapitel geregelt (§§ 95 ff., 118 ff.). Beide sind den Pflichtleistungen der aktiven Arbeitsförderung zuzurechnen (§ 3 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 5 und 8). Das Unterhaltsgeld ist 2005 aus dem Leistungskatalog gestrichen worden; ebenso die Arbeitslosenhilfe, die in den Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II aufgegangen ist. Überlegungen, bei beruflicher Weiterbildung wieder eine analog zum Unterhaltsgeld erhöhte Lohnersatzleistung zu zahlen, wurden bis Mitte 2020 noch nicht realisiert. Die frühere Winterbauförderung ist im Saison-Kurzarbeitergeld (§§ 101, 102) aufgegangen. Regelungen zum Transfer-Kurzarbeitergeld enthalten die §§ 110, 111).
Rz. 2b
Beim Alg ist zu differenzieren. Das Gesetz unterscheidet nach dem Alg bei Arbeitslosigkeit, der klassischen Versicherungsleistung, und dem Alg bei beruflicher Weiterbildung. Dabei handelt es sich um ein Alg, das allein deshalb gezahlt wird, weil die Voraussetzungen auf die Versicherungsleistung nur wegen einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt sind (§ 144 Abs. 1). Das Alg bei beruflicher Weiterbildung ist den Leistungen der aktiven Arbeitsförderung zuzurechnen. Das bestimmt § 3 Abs. 2 ausdrücklich, weil die parallel laufende berufliche Weiterbildung jedenfalls abstrakt zu besserer Beschäftigungsfähigkeit und damit zu besseren Chancen für eine Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt verhilft. Im Ergebnis sind das Alg bei Arbeitslosigkeit und das Insolvenzgeld damit passive Leistungen der Arbeitsförderung zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Rz. 2c
Das Dritte Kapitel ist aber nicht in 2, sondern in 3 Abschnitte untergliedert. Der Erste Abschnitt (§§ 136 bis 164) enthält die Regelungen zum Alg, der Zweite Abschnitt (§§ 165 bis 172) regelt das Insolvenzgeld und der Dritte Abschnitt (§§ 173 bis 175) enthält übergreifende ergänzende Regelungen zur Sozialversicherung (z. B. auch zum Übergangsgeld).
Rz. 2d
Der Erste Abschnitt (§§ 136 bis 164) enthält das Alg bei Arbeitslosigkeit und bei beruflicher Weiterbeildung sowie das Teil-Alg. Anders als bei privaten Versicherungen, bei denen die Versicherungsbedingungen, insbesondere also auch die Leistungen bei Eintritt des Versicherungsfalles vertraglich zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer geregelt werden, ist die Arbeitslosenversicherung als Pflichtversicherung durch staatliche Regelungen sowohl auf der Beitragsseite als auch auf der Leistungsseite geprägt. In Zeiten knapper Haushaltsmittel ist der Gesetzgeber geneigt, höheren Beiträgen eine geringere Leistung gegenüberzustellen, um zunehmenden Finanzierungsungleichgewichten zu begegnen. Dies ist grundsätzlich gerechtfertigt, wenn sich wie bei der Arbeitslosenversicherung über viele Jahre erweist, dass das Beitragsaufkommen nicht zur Bestreitung der Ausgaben ausreicht, der Bundesagentur jährlich Bundeszuschüsse in Milliardenhöhe gewährt werden müssen. In solchen Fällen müsste auch jede private Versicherung die Beiträge erhöhen und/oder Versicherungsleistungen kürzen oder streichen. In den letzten Jahren stellte sich die Situation – ähnlich wie während der Finanz- und Wirtschaftskrise, allerdings bei hohen Rücklagen, die verbraucht werden konnten – so dar, dass die Bundesagentur für Arbeit mit einem Beitragssatz von 3,0 % grundsätzlich nicht nur auskommt, selbst wenn ihr keine Bundeszuschüsse mehr gewährt werden, sondern weitere Rücklagen anhäuft. Der Vollständigkeit halber ist allerdings zu erwähnen, dass auch der von ihr nach § 46 SGB II geforderte Eingliederungsbeitrag für aus der Arbeitslosenversicherung in die Grundsicherung für Arbeitsuchende übergegangene Menschen nicht mehr abverlangt wird. Anfang 2020 hatte die Bundesagentur für Arbeit wieder mehr als 20 Mrd. EUR Rücklagen angehäuft, mit denen sie in 2020 insbesondere im Zuge der Corona-Pandemie und deren Folgen ausgelöste Kurzarbeit und verlängertes Alg finanziert. Unklar bei der Arbeitslosenversicherung ist aber das versicherte Risiko schlechthin. Je mehr versicherungsfremde Leistungen der Gesetzgeber im SGB III vorsieht, umso mehr werden Kürzungen beim Kern der Leistungen, nämlich den Entgeltersatzleistungen, fragwürdig. Das betrifft zunehmend auch berufliche Qualifikationen, die eigentlich den Grundkompetenzen zuzurechnen sind. Eine Kürzung der Anspruchsdauer auf das Alg ist zwischenzeitlich teilweise wieder rückgängig gemacht worden. Ältere Arbeitnehmer können das Alg bis zu 2 Jahren beziehen. Seit dem 1.1.2019 ist der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung auf 2,5 % der Beitragsbemessungsgrundlage gesunken, davon allerdings 0,1 Prozentpunkte nur befristet bis 2022, 2020 ist der Beitragssatz gar auf 2,4 % der Beitragsbemessungsgrundlage gesunken.
Rz. 2e
Das Sozialstaatsgebot setzt dem Gesetzgeber all...