Rz. 3
Abs. 1 enthält die auf den Regelfall ausgerichteten Tatbestandsmerkmale der Arbeitslosigkeit. Sie stehen gleichrangig nebeneinander und müssen kumulativ vorliegen. Typisierend wird Arbeitslosigkeit von Arbeitnehmern definiert und damit an die schon in den §§ 136, 137 vorgenommene Beschränkung des dem Grunde nach berechtigten Personenkreises angeknüpft. Ob ein Antragsteller dem Kreis der Arbeitnehmer zuzurechnen ist, muss anhand einer Prognose durch die Agentur für Arbeit aufgrund der Erklärungen des Arbeitslosen und deren Übereinstimmung mit den tatsächlichen Gegebenheiten entschieden werden. Im Übrigen sind Tatsachen zugrunde zu legen, die als Indizien für oder gegen die Arbeitnehmereigenschaft sprechen können. Abzustellen ist auf den Willen zur Erwerbstätigkeit in abhängiger Beschäftigung. Lediglich im Rahmen des Abs. 3 beeinträchtigen andere Erwerbstätigkeiten die Beschäftigungslosigkeit nicht.
Rz. 4
Erklärungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer über den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses haben nur Indizfunktion und sind nicht maßgebend, wenn sie den tatsächlichen Verhältnissen widersprechen (BSG, Urteil v. 9.9.1993, 7 RAr 96/92). Beschäftigungslosigkeit ist in einer Gesamtwürdigung dieser Verhältnisse zu beurteilen (BSG, Urteil v. 28.9.1993, 11 RAr 69/92).
Die Feststellung einer inneren subjektiven Tatsache wie z. B. die konkrete Willensrichtung bezogen auf die ernstliche Arbeitsbereitschaft, von der die nach außen erkennbaren Handlungen einer Person getragen sind, kann grundsätzlich auch auf der Grundlage glaubhafter Angaben der handelnden Person zur vollen richterlichen Überzeugung geschaffen werden. Ist der Arbeitnehmer glaubwürdig, muss die Agentur für Arbeit das Vorbringen des Arbeitnehmers erschütternde Tatsachen beibringen (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 29.1.2016, L 8 AL 2766/13, zur ernsthaften Bereitschaft für die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung in einem Fall, in dem sich der Arbeitnehmer mehrmals für wenige Tage arbeitslos gemeldet hat, um sich dann wieder wegen Kindererziehung für nicht verfügbar zu erklären).
Rz. 5
Arbeitnehmer – auch Auszubildende (vgl. § 25 und § 7 SGB IV) – bieten ihre Arbeitskraft in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen an. Darin liegt die inhaltliche Bedeutung des Begriffs. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass es sich nicht um ein Synonym von "Mensch" oder "Person" handele. Der Arbeitnehmer wird sozusagen als Prototyp der arbeitslosen Personen beschrieben. Arbeitnehmer sind das Leitbild der Arbeitslosenversicherung. Ein Arbeitnehmer kann zuletzt selbstständig tätig gewesen sein; er ist Arbeitnehmer, wenn er zukünftig wieder in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen tätig werden will. Sein Gepräge als Arbeitnehmer wird insbesondere dadurch gefestigt, dass er, um einen Anspruch auf Alg erwerben zu können, die Anwartschaftszeit erfüllt haben muss. Dazu bedarf es bei zuvor ausschließlicher selbstständiger Erwerbstätigkeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Arbeitnehmer für die volle Zeit innerhalb der Rahmenfrist, die für die Erfüllung der Anwartschaftszeit vorgeschrieben ist. Allerdings kann auch Arbeitnehmer sein, wer noch nie abhängig beschäftigt war und die Anwartschaftszeit lediglich aufgrund sog. sonstiger Versicherungspflichtverhältnisse erfüllt hat. Ebenso steht der Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen, dass der Arbeitslose nur für eine relativ kurze Zeit abhängig beschäftigt sein will, um dann eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen. Die Agentur für Arbeit kann durch eine passende Vermittlung nachweisen, dass der Arbeitslose – durch Aufnahme der Beschäftigung – Arbeitnehmer ist. Maßgebend ist zunächst der Zeitpunkt der Antragstellung, der im Regelfall mit dem Zeitpunkt der persönlichen Arbeitslosmeldung übereinstimmt. Zu diesem Zeitpunkt ist der Arbeitnehmer im Grundsatz arbeitslos, wenn er andernfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben würde.
Eine Zusammenfassung der Rechtsprechung zum versicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis enthält das Urteil des SG Karlsruhe v. 23.5.2017, S 2 AL 1779/16 (vgl. dazu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.11.2016, L 5 R 50/16).
Rz. 5a
Ist die Arbeitsfähigkeit des Antragstellers nicht geklärt und steht deshalb noch nicht fest, ob er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und bei Vorliegen der weiteren Anspruchsvoraussetzungen Anspruch auf Alg oder aber Anspruch auf Krankengeld hat, sind ggf. vorläufige Leistungen i. S. v. § 43 Abs. 1 SGB I zu erbringen (SG Darmstadt, Beschluss v. 20.11.2012, S 1 AL 358/12 ER). Außerhalb von Streitigkeiten über die Zuständigkeit steht mit § 328 auch eine Vorschrift für vorläufige Leistungen im SGB III für die Anwender in den Agenturen für Arbeit bereit.
Rz. 6
Der Status eines Strafgefangenen als Freigänger schließt Arbeitnehmereigenschaft nicht aus (BSG, Urteil v. 16.10.1990, 11 RAr 3/90). Ein mehr als kurzzeitig gegen Arbeitsentgelt tätiger Strafgefangener im Rahmen seiner Arbeitspflicht in der JVA ist nicht beschäftigu...