Rz. 18
Die Regelungen zur Minderung der Anspruchsdauer wegen des Eintritts einer Sperrzeit nach Abs. 1 Nr. 3 und 4 sowie Abs. 2 Satz 2 unterscheiden zunächst danach, ob überhaupt eine Minderung vorzunehmen ist. Ist dies der Fall, treten hinsichtlich des Umfanges der Minderung nach einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 von 12 Wochen und nach übrigen Sperrzeiten unterschiedliche Rechtsfolgen ein. Ob eine Sperrzeit das Alg tatsächlich zum Ruhen gebracht hat oder nicht, ist für die Minderung der Anspruchsdauer nicht erheblich. Dafür ist ausschlaggebend, dass die Sperrzeit kalendermäßig abläuft. Gegen eine Minderung der Anspruchsdauer ist die Berufung gegen ein sozialgerichtliches Urteil ohne Beschränkungen zulässig (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 8.9.2011, L 1 AL 131/10), da eine solche Klage keine Geld-, Sach- oder Dienstleistung betrifft. Der Anspruch auf Alg für die Minderung der Anspruchsdauer wegen einer Sperrzeit kann mit einer Verpflichtungsklage verfolgt werden (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 13.5.2019, L 7 AL 84/18).
Rz. 19
Sperrzeiten wegen Arbeitsablehnung und Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 und 4) wie auch Sperrzeiten wegen Ablehnung oder Abbruch eines Integrationskurses nach § 43 AufenthG oder eines Kurses der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a AufenthG (§ 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und 7) folgen stets einem Ereignis, das mit einem Tag der Erfüllung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg zusammenfällt, typischerweise einem Tag mit Bezug von Alg (rechtswirksames Angebot). Das gilt nicht in Fällen des § 159 Abs. 4 Satz 2. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass bei den nicht auf § 38 Abs. 1 beruhenden Sperrzeitsachverhalten Abs. 2 Satz 2 von vornherein nicht angewandt werden kann. Die Anspruchsdauer mindert sich also stets um die Tage der Sperrzeit, das sind 84 Tage bei Eintritt der Regelsperrzeit von 12 Wochen, 42 Tage bei Vorliegen einer besonderen Härte oder einer sonstigen 6-wöchigen Sperrzeit (§ 159 Abs. 4 Nr. 2) und 21 Tage in den Fällen 3-wöchiger Sperrzeiten nach § 159 Abs. 4 Nr. 1. In Fällen des § 147 Abs. 4 wird nur die Dauer des alten Anspruchs gemindert, nicht mehr die Dauer des neuen, aufgrund des § 147 Abs. 4 erhöhten Anspruchs.
Rz. 20
Keine Minderung der Anspruchsdauer kommt nur in Betracht, wenn eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe oder des Abbruchs einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung (seit 1.7.2023) eingetreten ist. In diesen Fällen muss das maßgebende Ereignis allerdings bei Erfüllung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg länger als ein Jahr zurückliegen. Damit ist nicht nur ein Anspruch auf Alg gemeint, der gem. § 137 neu entstanden ist. Dieser Fall entspricht zwar den Grundvorstellungen des Gesetzgebers, weil der zwischenzeitlich verstrichene Jahreszeitraum ausreichend war, um die Anwartschaftszeit zu erfüllen. Abs. 2 Satz 2 ist aber auch ohne weiteres anwendbar, wenn lediglich auf einen vor dem Sperrzeitereignis entstandenen Anspruch zurückgegriffen wird. Dadurch entfällt allerdings nicht die Kausalität, die zum Eintritt der Sperrzeit geführt hat; auch die Sperrzeit selbst ist festzustellen und ggf. auch bei der Zusammenrechnung der Sperrzeitdauern im Rahmen des § 161 Abs. 1 Nr. 2 mitzurechnen. Bei Abbruch eines Integrationskurses nach § 43 AufenthG oder eines Kurses der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a AufenthG ist wegen Ablaufs der Jahresfrist der Verzicht auf die Minderung der Anspruchsdauer bis zum 30.6.2023 nicht möglich, weil diese neuen Sperrzeitsachverhalte, die zum 1.8.2019 in § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und 7 eingefügt wurden, von Abs. 2 Satz 2 erst ab 1.7.2023 erfasst werden. Die vorgenommene Gesetzesänderung berichtigt nach ihrer Begründung lediglich ein Redaktionsversehen. Mit dem Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz wurden in Abs. 1 Nr. 3 die Ablehnung oder der Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung eingefügt. Die Berichtigung nimmt die erforderliche Anpassung in Abs. 2 Satz 2 vor (vgl. BT-Drs. 20/3873).
Rz. 21
Ob das Sperrzeitereignis lange genug zurückliegt, um die Vermutung ungerechtfertigter Inanspruchnahme des Alg pauschal auszuschließen, ist ausgehend von dem Tag des Ereignisses zu beurteilen, das zum Eintritt der Sperrzeit geführt hat. Bei Erfüllung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg nach Ablauf eines Jahres nach diesem Tag kommt eine Minderung der Anspruchsdauer nicht mehr in Betracht.
Sperrzeitereignis (Maßnahmeabbruch) |
31.3.2024 |
Jahresfrist |
1.4.2024 – 31.3.2025 |
Unschädliche Arbeitslosmeldung ab |
1.4.2025 |
Rz. 22
Da es nicht auf den Tag der tatsächlichen Arbeitslosmeldung, sondern die Erfüllung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg ankommt, ist eine Minderung der Anspruchsdauer auch dann vorzunehmen, wenn die Jahresfrist nur deshalb nicht verstrichen ist, weil ...