2.3.2.1 Überblick
Rz. 374
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 listet 3 Möglichkeiten auf, durch die der Tatbestand der Ablehnung eines Arbeitsangebotes verwirklicht werden kann, nämlich durch Ablehnung des Arbeitsangebotes selbst, durch Vereitelung des Zustandekommens des Arbeitsverhältnisses, wofür das Gesetz den Fall der Verhinderung eines Vorstellungsgespräches explizit aufführt, und den Nichtantritt einer Arbeit (ausdrückliche und konkludente Arbeitsablehnung, vgl. BSG, Urteile v. 20.3.1980, 7 RAr 4/79, und v. 9.12.2003, B 7 AL 106/02). Letztlich spielt es keine Rolle, ob Arbeit abgelehnt oder vereitelt wurde, entscheidend ist, dass dem Arbeitslosen vorgeworfen werden kann, dass ein ihm zumutbares Beschäftigungsverhältnis durch sein Verhalten nicht zustande gekommen ist (vgl. BSG, Urteil v. 5.9.2006, B 7a AL 14/05 R). Das ist z. B. nicht der Fall, wenn der Arbeitslose vorrangige Pflichten gegenüber seinem aktuellen Arbeitgeber zu erfüllen hat.
Rz. 375
Der Sperrzeittatbestand setzt voraus, dass der Arbeitslose nach seinem individuellen Vermögen erkennen konnte, dass ein Arbeitgeber allein wegen des objektiven Inhalts bzw. der Form ein Bewerbungsschreiben von vornherein als unbeachtlich oder offensichtlich unernst gemeint behandeln würde. Auf den inneren Willen, die angebotene Beschäftigung abzulehnen, kommt es dabei nicht an. Erforderlich ist insoweit nur leichte Fahrlässigkeit. Es ist ein subjektiver Fahrlässigkeitsmaßstab zugrunde zu legen. Ausschlaggebend kann nach Auffassung des BSG etwa sein, ob der Arbeitslose bereits an einem Bewerbungstraining teilgenommen hat.
2.3.2.2 Arbeitsangebot
Rz. 376
Das Gesetz setzt voraus, dass die abgelehnte Arbeit von der Agentur für Arbeit angeboten worden ist und nicht etwa von einem Jobcenter. Daher kann eine Sperrzeit nicht eintreten, wenn der Arbeitslose sich dazu entschließt, eine selbst aufgespürte zumutbare Beschäftigung nicht anzunehmen, einem vereinbarten Termin für ein Vorstellungsgespräch nicht nachzukommen oder nach einer Einstellung die neue Beschäftigung nicht anzutreten. Dasselbe gilt für ein Arbeitsangebot durch einen privaten Arbeitsvermittler, ein solches Angebot darf der Arbeitslose auch ohne Angabe von Gründen ablehnen, ohne den Eintritt einer Sperrzeit befürchten zu müssen.
Rz. 377
Personen, die nur aufstockend Alg II erhalten (sog. Aufstocker), werden seit dem 1.1.2017 in vermittlerischer Hinsicht durch die Agenturen für Arbeit betreut. Seither kann durch die Agenturen für Arbeit ein sperrzeitrelevantes Arbeitsangebot auch in praktischer Wirklichkeit an den Arbeitslosen gerichtet werden. Ein durch die gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II erstellter Vermittlungsvorschlag wird i. d. R. nicht mit der Wirklichkeit der Jobcenter übereinstimmen, das dürfte auch für zugelassene kommunale Träger nach § 6a SGB II zutreffen. Jobcenter unterbreiten demnach faktisch kein Arbeitsangebot mehr, daher tritt keine Sperrzeit durch ein Arbeitsangebot eines Jobcenters, wohl aber ggf. durch ein Angebot der Agentur für Arbeit ein. Ggf. hat das Jobcenter eine Leistungsminderung nach §§ 31 ff. festzustellen (vgl. § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, gemäß § 84 SGB II galt jedoch vom 1.7.2022 bis 31.12.2022 ein Sanktionsmoratorium). Agiert ein gemeinsamer Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit und des Jobcenters, wird regelmäßig ein insoweit ordnungsgemäßes Arbeitsangebot angenommen werden können.
Rz. 378
Ein Arbeitsangebot der Agentur für Arbeit stellt einen Vermittlungsvorschlag dar, der darauf ausgerichtet ist, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen. Die Agentur für Arbeit hat nicht die Befugnis, über die Besetzung einer (ihr gemeldeten) offenen Stelle zu befinden. Das Arbeitsangebot stellt daher keinen Verwaltungsakt dar, sondern nur den Nachweis einer Arbeitsgelegenheit (BSG, Urteil v. 19.1.2005, B 11a/11 AL 39/04 R).
Rz. 379
Ein Arbeitsvertrag wird nur geschlossen, wenn sich die Parteien über die wichtigsten Punkte, nämlich die zu leistende Arbeit durch den Arbeitnehmer und die zu erbringende Vergütung durch den Arbeitgeber, einig sind. Die Arbeitsleistung wird durch die Weisungen des Arbeitgebers im Rahmen seines Direktionsrechts konkretisiert, eine konkrete Vergütung braucht der Arbeitsvertrag nicht unbedingt zu enthalten, weil im Zweifel § 612 BGB gilt. Ein Arbeitsvertrag kommt auch zustande, wenn die Vertragsdauer noch nicht bestimmt ist, der Arbeitnehmer jedoch im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Arbeitgeber die Arbeit aufnimmt. Für die Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages gilt, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz im Rahmen des Art. 12 GG frei wählen darf, Einschränkungen als Folge der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung sind vom GG gedeckt. Gerade deshalb darf er eine zumutbare Beschäftigung nicht ohne wichtigen Grund ablehnen. Der Arbeitgeber handelt aus seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 GG heraus. Das schließt z. B. ein, einen befristeten Arbeitsvertrag nicht zu verlängern. Behauptet der Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, bei e...