Rz. 9
Eine Ausnahme lässt sich beim Alg rechtfertigen. Abs. 1 Satz 2 erzeugt eine Fiktion. Durch persönliche Arbeitslosmeldung gilt Alg als beantragt (Konkludenz). Der größte Mangel dieser Regelung wird in Abs. 1 Satz 2 selbst beseitigt, weil dem Arbeitslosen zugestanden wird, davon abweichend zu erklären, dass er keine der Entgeltersatzleistungen beantragen (erhalten) möchte. Die Begrenzung der Regelung auf Alg ist schon im Hinblick auf § 16 SGB I mangelhaft, z. B. in Bezug auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II oder Sozialhilfe nach dem SGB XII. Zum 1.1.2022 wurde die persönliche Arbeitslosmeldung als mehr zwingende Voraussetzung für den Anspruch auf Alg aufgegeben, insoweit wurde auch das Erfordernis der Antragstellung angepasst, aber nicht wirklich geändert oder darauf verzichtet. Auch wird die persönliche Arbeitslosmeldung nicht als solche ersatzlos entfallen, sie kann vielmehr in elektronischer Form vorgenommen werden, ein persönliches Gespräch mit der Vermittlungsfachkraft der Agentur für Arbeit, zu dem diese einlädt, ist jedoch unausweichlich. Während der Corona-Pandemie hat die Bundesagentur für Arbeit in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die persönliche Arbeitslosmeldung vorübergehend ausgesetzt, um persönliche Kontakte in den Dienststellen der Agenturen für Arbeit zu vermeiden.
Rz. 10
Die Verknüpfung mit der (bis zum 31.12.2021 noch) persönlichen Arbeitslosmeldung erzeugte darüber hinaus weitere Probleme. Eine persönliche Arbeitslosmeldung ist eine Tatsachenerklärung, die richtig oder falsch sein kann. Außerdem enthält § 141 Regelungen zum Wegfall der Wirkung der Meldung mit Rückwirkungen auf die Antragstellung. Bei der Antragstellung handelt es sich dagegen um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung, die sich auch an § 133 BGB messen lassen muss.
Auch wenn eine Arbeitslosmeldung wirksam bleiben kann, wenn entgegen den Erwartungen die Arbeitslosigkeit zu einem späteren Zeitpunkt eintritt, gilt dies nur dann, wenn Arbeitslosigkeit tatsächlich eintritt und dies innerhalb der Frist von 3 Monaten geschieht. In der Abgabe des Alg-Antrags kann auch eine persönliche Arbeitslosmeldung zu sehen sein, sofern dem keine anderen Umstände entgegenstehen. Inhaltlich hat sich die Meldung nur auf den Eintritt der Arbeitslosigkeit zu beziehen. Eine Arbeitslosmeldung liegt daher schon dann vor, wenn der Arbeitslose in der Agentur für Arbeit erscheint und jedenfalls sinngemäß zum Ausdruck bringt, er sei arbeitslos (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 17.6.2020, L 2 AL 58/14).
Rz. 11
Konkrete Beratung im Zusammenhang mit der Antragstellung ist bei verschiedenen Sachverhalten geboten, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche längere Anspruchsdauer (§ 147) oder der Minderung der Anspruchsdauer aufgrund einer eingetretenen Sperrzeit (§§ 159, 148). Der Arbeitslose ist nach § 137 Abs. 2 zur Bestimmung berechtigt, dass sein Anspruch auf Alg nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll. Dieses Recht ist auf den Zeitraum bis zur Entscheidung über den Anspruch befristet. Stellt der Arbeitslose keinen Antrag auf Alg, kann auch keine Entscheidung über den Anspruch getroffen werden. Auch insofern kann der Arbeitslose in seiner Rechtsposition geschwächt werden, wenn ohne eine andere ausdrückliche Erklärung der Antrag auf Alg mit der persönlichen Arbeitslosmeldung als gestellt gilt.
Rz. 11a
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass einerseits der Arbeitslose durch die fingierte Antragstellung den Mitwirkungspflichten nach den §§ 60ff. SGB I unterliegt und außerdem die Agentur für Arbeit verpflichtet ist, aufgrund des gestellten Antrages den Sachverhalt zu ermitteln und eine Entscheidung über den Antrag zu treffen und bekanntzugeben.
Der Fall einer Verschiebung des Datums der Antragstellung bei einem bereits vorliegenden wirksamen, "verfrühten" Antrag auf Alg im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist von dem Fall, dass ein früherer Antrag auf Alg vollständig beseitigt werden soll, zu unterscheiden (LSG Sachsen, Urteil v. 12.7.2018, L 3 AL 76/16).
Rz. 11b
Damit muss seit 2022 nicht mehr bemängelt werden, dass eine persönliche Arbeitslosmeldung bei der Agentur für Arbeit immer noch Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Alg ist. Die persönliche Arbeitslosmeldung rechtfertigte sich aus der Selbstverständlichkeit und dem Grunde nach aus dem Anspruch des betroffenen Arbeitnehmers und der gesamten Versichertengemeinschaft, dass zunächst versucht wird, den Arbeitnehmer wieder in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu integrieren, bevor das Alg als Versicherungsleistung erbracht wird. Die Notwendigkeit, auch die Identität des Arbeitslosen und regelmäßig des Antragstellers auf Leistungen festzustellen, ist im Zuge der Corona-Pandemie nicht durchgängig weiterverfolgt worden. Zwar sind grundsätzlich alle nicht vollzogenen Identitätsfeststellungen nachzuholen, die Feststellungen können jedoch durch den Arbeitslosen selbst in einem Self-Ident-Verfahren elektronisch unterst...