2.1 Vermittlungsverbot bei Verstoß gegen ein Gesetz oder die guten Sitten (Abs. 1)
2.1.1 Verstoß gegen ein Gesetz
Rz. 3
Die Agenturen für Arbeit sind bei ihrer Vermittlungstätigkeit schon aus allgemeinen rechtsstaatlichen Gründen an Recht und Gesetz gebunden, auch in ihrer Eigenschaft als öffentlich-rechtliche Körperschaft. Die Vorschrift enthält deshalb ein absolutes Vermittlungsverbot, weil ein Verstoß gegen ein Gesetz oder die guten Sitten nicht mit einer ordnungsgemäßen Vermittlung in Einklang gebracht werden kann. Ein Verstoß der Agentur für Arbeit gegen die Gebote des Abs. 1 können Schadensersatzansprüche auslösen (vgl. Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB).
Rz. 4
Die Agenturen für Arbeit setzten das geltende Recht um, an dieses sind sie gebunden. Etwaige Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Norm, ob im Gesetz, einer Rechtsverordnung oder einer anderen Grundlage des materiellen Rechts angenommen, spielen für den Verwaltungsvollzug keine Rolle. Ob materielles Recht gegen das Grundgesetz verstößt, entscheidet allein das BVerfG. Bis dahin ist eine Rechtsnorm auch dann umzusetzen bzw. anzuwenden, wenn sie dem BVerfG zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt wurde. Die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Rechtsnorm mit dem Grundgesetz hat Gesetzeskraft und wird im BGBl. verkündet. Folgerungen daraus hat der Gesetzgeber zu ziehen. Ob eine Norm trotz einer solchen Feststellung noch (vorübergehend) angewendet werden darf, entscheidet das BVerfG.
Rz. 5
Für die Vermittlung wichtige Gesetze sind das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und das Mindestlohngesetz (MiLoG). Das AÜG regelt die Zulässigkeit von Vermittlung in Leiharbeit. Entspricht die Vermittlung im Einzelfall dem AÜG, verstößt diese Vermittlung nicht deshalb gegen ein Gesetz. Dem Arbeitslosen ist es durchaus zumutbar, alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen auszuüben, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit nicht entgegenstehen; aus allgemeinen Gründen ist eine Beschäftigung insbesondere nicht zumutbar, wenn die Beschäftigung gegen gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen über Arbeitsbedingungen verstößt (vgl. dazu auch § 140). Im Einzelfall können besondere Umstände hinzukommen, die ein Vermittlungsangebot der Agentur für Arbeit ggf. unzumutbar machen.
Rz. 6
Ein Verstoß gegen das MiLoG wäre ebenfalls ein Verstoß gegen die Grundsätze der Arbeitsvermittlung, die Agentur für Arbeit darf nicht in Beschäftigung mit einer Bezahlung unterhalb des Mindestlohnes vermitteln. Nach dem MiLoG gilt der Mindestlohn nicht überall. Soweit das MiLoG selbst Ausnahmen zulässt, muss auch nicht der Mindestlohn von 9,19 EUR je Stunde (bis zum 31.12.2019) eingehalten werden.
Rz. 7
Gegen ein Gesetz verstößt eine Vermittlung auch dann, wenn tarifliche Regelungen durch gesetzliche Bestimmung zu Mindestarbeitsbedingungen erklärt werden. Im Übrigen setzen Tarifverträge aber kein materielles Recht, eine Vermittlung zu tarifwidrigen Bedingungen ist deshalb nicht ausgeschlossen. In Fällen der Tarifbindung kann der Arbeitnehmer auf seine Zugehörigkeit zur maßgeblichen Gewerkschaft verweisen. Der Agentur für Arbeit ist es aber nicht verboten, zu nicht tariflichen Arbeitsbedingungen zu vermitteln. Eine andere Frage ist, welche Rechtsfolgen sich für einen arbeitslosen Bezieher von Versicherungsleistungen ergeben können, wenn tarifwidrige Arbeitsbedingungen nicht akzeptiert werden. Diese Frage wird von § 140 beantwortet, tarifwidrige Arbeitsverhältnisse sind nicht zumutbar.
Rz. 8
Auch Betriebsvereinbarungen setzen kein materielles Recht und sind deshalb für die Frage eines Verstoßes der Vermittlung gegen ein Gesetz nicht relevant.
2.1.2 Verstoß gegen die guten Sitten
Rz. 9
Ob eine Vermittlung gegen die guten Sitten verstoßen würde, muss anhand der gesellschaftlichen Ansichten, die ständigen Wandlungen unterworfen sind, und der vorhandenen Rechtsprechung beurteilt werden. Der Begriff der guten Sitten ist nicht allgemeingültig definiert. Bislang ist versucht worden, eine Abgrenzung auf der Grundlage des Wertesystems im Grundgesetz anhand des Maßstabes des Anstandsgefühls aller billig und gerecht denkenden Menschen vorzunehmen. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob es sich im Einzelfall um einen "Arbeitsvertrag" im allgemeinen arbeitsrechtlichen Sinne handelt, wonach man unter Arbeit nur eine Betätigung oder ein Verhalten versteht, das irgendwie zur Befriedigung im Einklang mit der Rechtsordnung stehender ideeller oder materieller menschlicher Bedürfnisse dient und im Hinblick darauf im Arbeits- und Wirtschaftsleben als "Arbeit" qualifiziert wird. Entscheidend ist vielmehr, dass der zur Beurteilung stehende Vertrag der Parteien nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist, weil er nach Inhalt, Zweck und Beweggründen gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dabei ist auf die Verhaltensanforderungen abzustellen, die auf den gemeinsamen Grundüberzeugungen der Gesellschaft über das moralisch Gebotene und Vertretbare beruhen, weswegen auch bei aller Veränderung und Wandelbarkeit der sogenannten "herrschenden Moral", die mit moralwissenschaftlichen Erk...