0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Reformgesetz – AFRG) v. 24.3.1997 (BGBl. I S. 594) mit Wirkung zum 1.1.1998 in das SGB III eingeführt.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Um Beziehern von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, insbesondere Arbeitgebern und Trägern von Maßnahmen Planungssicherheit zu geben und die Agenturen für Arbeit vom Aufrollen laufender Fälle zu entlasten, sollen die zu Maßnahmebeginn bzw. im Zeitpunkt der Bewilligung geltenden Vorschriften für laufende Fälle regelmäßig weiter anwendbar bleiben, soweit nicht Sonderregelungen etwas Anderes bestimmen (vgl. BSG, Urteil v. 15.8.2002, B 7 AL 132/01). Die Vorschrift durchbricht das Geltungsraumprinzip, nach dem neues Recht dann Anwendung findet, wenn die maßgebende Rechtsfolge in der Zeit eintritt, die bereits von der neuen Regelung erfasst wird (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2008, B 11 AL 48/07 R unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 27.8.2008, B 11 AL 11/07 R). Nachdem die Vorschrift alle Leistungen der aktiven Arbeitsförderung umfasst, ist sie für betroffene Arbeitnehmer in gleicher Weise bedeutsam.
2 Rechtspraxis
2.1 Wirkung der Regelung
Rz. 2
Übergangsregelungen durchbrechen den absoluten Geltungsanspruch eines in Kraft getretenen (Änderungs-)Gesetzes. Sie beziehen sich in der Hauptsache auf die Frage, inwieweit in bereits entstandene oder gar abgeschlossene Versicherungsfälle bzw. bewilligte Förderleistungen eingegriffen werden darf (belastende Neuregelungen) oder muss (begünstigende Neuregelungen).
Rz. 3
Übergangsregelungen erschweren der Verwaltung die Aufgabenerledigung und vervielfachen die Fehlerträchtigkeit der Entscheidungen im Verwaltungsverfahren. Da ein Gesetz seine beabsichtigte Wirksamkeit immer nur entfalten kann, wenn es im Verwaltungsverfahren auch umsetzbar ist, müssen Übergangsregelungen auch daran gemessen werden, inwieweit sie den steten Forderungen nach Verwaltungsvereinfachung entsprechen.
Rz. 4
§ 422 ist insoweit zu begrüßen, als der Gesetzgeber aus der Vielfalt möglicher Übergangsvorschriften Leitregelungen ausgewählt hat, die im Regelfall auf zukünftige Änderungen des SGB III anzuwenden sein werden. Das kann hauptsächlich Änderungsgesetze verschlanken und zur Übersichtlichkeit des SGB III auf Dauer beitragen.
Rz. 4a
Dem Gesetzgeber ist es freigestellt, bei Bedarf die Regelung außer Kraft zu setzen, so z. B. für die Anwendung des § 153 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 in der ab 1.1.2019 geltenden Fassung auf Alg bei beruflicher Weiterbildung. Durch Absenkung der Sozialversicherungspauschale bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes (Alg) erhöht sich dadurch im Ergebnis der tägliche Leistungssatz.
Ebenso hat der Gesetzgeber bereits wiederholt Erhöhungen des BAföG abweichend von § 422 termingerecht (jeweils zum 1. August) auf Vorschriften im SGB III übertragen.
2.2 Planungssicherheit
Rz. 5
Planungssicherheit für Empfänger von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung kann aber eine Regelung nicht bieten, die einschränkungslos Ausnahmen zulässt, indem sie den Grundsatz für Gesetzesänderungen nur gelten lässt, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Gerade die seit einigen Jahren ersichtliche Anhäufung haushaltspolitischer Motive für gesetzliche Neuregelungen lassen für Planungssicherheit nur wenig Raum. Zu befürchten ist deshalb, dass der Grundsatz immer wieder – wenn auch ggf. nur für einen Teilbereich der aktiven Arbeitsförderung – durchbrochen wird. Dies gilt umso mehr, als die Absichten, versicherungsuntypische Leistungen zukünftig aus Steuermitteln zu finanzieren, schrittweise verwirklicht werden sollten, weil dies den Spielraum des Gesetzgebers auch bei der Ausgestaltung der Übergangsregelungen weiter ausdehnt.
2.3 Anwendungsbereich
Rz. 6
Die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung ergeben sich aus § 3 Abs. 2. Die Differenzierung nach Leistungen an Arbeitnehmer (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 7, 9 und 11 bis 12 a. F.), Arbeitgeber (§ 3 Abs. 2 a. F.) und Träger (§ 3 Abs. 3 a. F.) ist mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt 2012 aufgegeben worden. Seither werden die Leistungen nach Bedarfslagen strukturiert. Daraus ergibt sich schlicht, dass die Leistungen nach dem Dritten Kapitel Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sind. Hinzu kommt das Alg bei beruflicher Weiterbildung. Ausgenommen sind die Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit (Alg, Teil-Alg) und Insolvenzgeld bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Leistungen der aktiven Arbeitsförderung i. S. d. § 422 sind nicht nur die Leistungen selbst, z. B. Eingliederungszuschüsse, sondern umfassen auch die Regelungen über ihre Rückzahlung (BSG, Urteil v. 21.3.2002, B 7 AL 68/01 R). Ist § 422 anzuwenden, sind auch geänderte Rückzahlungsvorschriften in ihrer alten Fassung anzuwenden.
Rz. 6a
Für die Grundsicherung für Arbeitsuchende enthält § 66 SGB II eine weitgehend mit § 422 übereinstimmende, aber doch eigenständige Regelung.
2.4 Kriterien
Rz. 7
Für Übergangsregelungen zu Förderleistungen haben sich in der Rechtsprechung die Kriterien Förderbedarf, Förderantrag und Förderbeginn herausg...