Rz. 2
Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit der Förderung einer Ausbildung im Ausland. Die nach dem AFG-Recht lediglich in wenigen Ausnahmefällen vorgesehene Förderung einer Ausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme in Ländern der Europäischen Union war zudem in ihrem zeitlichen Umfang eng begrenzt. Mit dem Job-AQTIV-Gesetz v. 10.12.2001 (BGBl. I S. 3443) wurde seit 1.1.2002 in Abs. 2 die Möglichkeit der Förderung einer vollständig im europäischen Ausland (= Mitgliedstaaten der Europäischen Union) absolvierten Ausbildung eröffnet, d. h., die Beschränkung der Förderung auf die an Deutschland angrenzenden Länder gilt nur noch für die Länder, die nicht der EU angehören. Die nach Abs. 1 "nur" teilweise im Ausland durchgeführte Ausbildung ist im Gegensatz dazu in allen Staaten außerhalb Deutschlands möglich (Schön, in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, § 58 Rz. 5). Im Zusammenspiel von Abs. 1 und 2 wird deutlich, dass eine Ausbildung, die schwerpunktmäßig im Ausland absolviert wird, nach dem Wortlaut nicht unter § 58 zu subsumieren ist, da weder ein Fall des Abs. 1 (keine angemessene Dauer im Verhältnis zur Gesamtdauer der Berufsausbildung) noch ein Fall des Abs. 2 (keine vollständig im Ausland durchgeführte Maßnahme) vorliegt (so auch: Schön, in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, § 58 Rz. 12). Dieses Ergebnis vermag aber nicht zu überzeugen, da keine Gründe ersichtlich sind, warum nicht auch "nur" überwiegend im Ausland absolvierte Ausbildungen unter Abs. 2 zu fassen sind (ebenso Brecht-Heitzmann, in: Gagel, SGB III, § 58 Rz. 13).
Rz. 3
Mit Blick auf das stetige Zusammenwachsen Europas und dem gleichzeitigen Anspruch der Attraktivitätssteigerung der Ausbildung im dualen System hat der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift einen weitreichenden Rahmen gesteckt. Immer mehr Wirtschaftsbereiche richten sich international aus. Vor allem europäische Länder innerhalb und außerhalb der Europäischen Union – ausdrücklich seien hier die ehemaligen Ostblockländer genannt – sind als Wirtschaftspartner von Interesse. Kenntnisse und Erfahrungen von Mitarbeitern im Ausland sind dabei in der Regel von Vorteil für die Unternehmen. Auslandserfahrungen, die bereits während der Berufsausbildung gesammelt werden konnten, tragen darüber hinaus zur Erweiterung der sozialen und beruflichen Kompetenz des Arbeitnehmers bei. Seine Persönlichkeitsentwicklung dürfte entscheidend geprägt werden.
Rz. 4
Die großzügige Ausweitung dieser Fördermöglichkeit soll aber auch dazu beitragen, die Attraktivität einer Berufsausbildung im dualen System gegenüber einem Hochschulstudium zu erhalten bzw. auszubauen. Die Auslandsförderung nach dem BAföG wurde mit dem Ausbildungsförderungsreformgesetz im März 2001 zudem nochmals verbessert (vgl. auch AföRG v. 19.3.2001, BGBl. I S. 390). Hintergrund: In Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein deutlicher Trend zur Akademisierung vollzogen. Die betriebliche Ausbildung hat zwar nicht ihren Stellenwert verloren, sie ist jedoch in manchen Berufen oder Berufszweigen gegenüber Ausbildungen an Hochschulen oder Akademien ins Hintertreffen geraten. Der Mangel an geeigneten Bewerbern für betriebliche Ausbildungsstellen wird deshalb u. a. auch auf die im Vergleich zur akademischen Ausbildung nachlassende Attraktivität der dualen Ausbildung zurückgeführt.