2.1.1 Wirtschaftliche Gründe/Unabwendbares Ereignis (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1)
Rz. 4
Nach Abs. 1 Nr. 1 muss der Arbeitsausfall auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen. Der Arbeitsausfall muss auf allgemeine wirtschaftliche Ursachen zurück zu führen sein (Mutschler, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 96 Rz. 8). Betriebsspezifische Ursachen, wie sie in Abs. 4 umschrieben sind, scheiden insofern als wirtschaftliche Gründe aus. Diese Abgrenzung beruht auf der Erwägung, dass betriebsspezifische Risiken grundsätzlich vom jeweiligen Betrieb zu tragen sind, währenddessen Risiken durch Arbeitsausfälle, die bedingt sind durch Störungen im Wirtschaftskreislauf durch die Gesamtheit der Beitragszahler zu tragen sind (BSG, Urteil v. 15.12.2005, B 7a AL 10/05 R; Bieback, in: Gagel, SGB III, § 96 Rz. 22).
Rz. 5
Nach der Rechtsprechung sind unter wirtschaftlichen Gründen solche Ursachen zu verstehen, die mit der Gesamtheit der laufenden Produktions- und Konsumvorgängen, also mit externen Wirtschaftsprozessen und ihren konjunkturellen, zyklisch verlaufenden Phasen sowie den hierfür verantwortlichen Strukturelementen wie den ökonomischen und außerökonomischen Rahmenbedingungen zusammenhängen (BSG, Urteil v. 21.6.2018, B 11 AL 4/17 R; BSG, Urteil v. 29.4.1998, B 7 AL 102/97 R). Hierunter sind neben konjunkturellen und strukturellen Störungen der Gesamtwirtschaftlage, wie z. B. Arbeitsmangel wegen Konjunkturstörungen (Rezession, sinkende Absatzmöglichkeiten), ferner Rohstoffmangel, Kapitalmangel, fehlende Transportmöglichkeiten wegen Störung öffentlicher Verkehrsmittel zu verstehen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 11.12.2014, B 11 AL 3/14 R; Schweiger, NZS 2017 S. 135). Der Begriff der "wirtschaftlichen Gründe" ist umfassend und schließt alle Arbeitsausfälle ein, die auf der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Betriebes beruhen und sich aus dessen Teilnahme am Wirtschaftsleben ergeben.
Beispiele für wirtschaftliche Gründe:
- Konjunkturell bedingte Auftrags- Nachfragerückgänge,
- Strukturelle Ursachen,
- Grundlegende und allgemeine Änderungen in der technischen und organisatorischen Produktionsweise.
Rz. 6
Mit dem Begriff des wirtschaftlichen Grundes wird somit auf außerhalb der betrieblichen Sphäre liegende, von außen kommende allgemeine wirtschaftliche Ursachen für den Arbeitsausfall abgestellt. Ein Streit zwischen dem betroffenen Betrieb und deren Zulieferern und der dadurch bedingte Arbeitsausfall wegen nicht gelieferter Zubehörteile beruht nicht auf wirtschaftlichen Gründen i. S. v. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. Vielmehr handelt es sich ausschließlich aus einem Streit zweier Unternehmen über ihre Vertragsbeziehungen und damit aus betriebsspezifischen, von dem einzelnen Unternehmen zu verantworten Ursachen (Schweiger, NZS 2017 S. 1375, wohl ebenso: Mutschler, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 96 Rz. 8). Unter "wirtschaftlichen Gründen" kann auch die Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen subsumiert werden, wenn diese zu einem geänderten Verhalten der Marktteilnehmer führt, z. B. Einführung oder Einstellung einer Abwrackprämie (Mutschler, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 96 Rz. 8). Hingegen sind Änderungen in der Marktakzeptanz eines Produkts kein auf wirtschaftlichen Gründen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 resultierender Arbeitsausfall (BSG, Urteil v. 15.12.2005, B 7a AL 10/05 R, Aus-der-Mode-kommen von Bandagen aus Katzenfell; Bieback, in: Gagel, SGB III, § 96 Rz. 23).
Rz. 7
Unter den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen erwerbs- und produktionswirtschaftlich ausgerichtete Betriebe. Dies gilt auch für derartige Betriebe, die auch eine allgemeinnützige Zielrichtung verfolgen (Lüdtke/Guldan, in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, § 96 Rz. 6). Gleiches gilt auch für Betriebe die öffentliche Aufgaben wahrnehmen.
Rz. 8
Nach der Praxis der Bundesagentur für Arbeit gehört grundsätzlich auch der durch eine mittelbare arbeitskampfbedingte Störung verursachte Arbeitsausfall zu den wirtschaftlichen Gründen i. S. v. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. Sie muss jedoch wesentliche und damit die überwiegende Ursache sein. Die wirtschaftliche Ursache muss insofern zwar nicht die ausschließliche, jedoch die wesentliche und damit die überwiegende Ursache für den Arbeitsausfall sein und während der gesamten Dauer des Bezuges von Kug vorliegen (Fachliche Weisungen der BA zu § 96, Stand: 12/2018). Auch nachfrageintensive Wirtschaftsbereiche, in denen klassisch Personal für eine möglicherweise nicht abgerufene Dienstleistung vorgehalten werden muss, unterfallen der Vorschrift. Dabei ist glaubhaft zu machen, dass der einzelne Betroffene neben einem bloßen Entgeltausfall auch einen tatsächlichen Arbeitsausfall erleidet. Allein ein Umsatzrückgang lässt noch nicht darauf schließen, dass z. B. Verkaufs- oder Vertriebspersonal nicht ausgelastet ist (Fachliche Weisungen der BA zu § 96, Stand: 12/2018).
Rz. 9
Außerwirtschaftliche Gründe für einen Arbeitsausfall, d. h. solche, die weder konjunkturbedingt sind noch auf Strukturveränderungen oder sonstigen in der Wirtschafts- und A...