2.1 Wesen der medizinischen Rehabilitationsleistungen
Rz. 6
Die Leistungen der medizinischen Rehabilitation fördern im Gegensatz zu den anderen Leistungsgruppen des § 5 den Gesundheitszustand des Rehabilitanden. Durch sie sollen die körperlichen und seelischen Fähigkeiten und Funktionsmöglichkeiten des behinderten bzw. von Behinderung bedrohten Betroffenen gefördert bzw. wieder hergestellt werden – und zwar so weit, dass der Betroffene möglichst wie ein gesunder Mensch am Alltagsleben teilnehmen kann (selbstbestimmte selbständige Lebensführung, effiziente Eingliederung/Wiedereingliederung in Schule/Beruf und Gesellschaft, Mobilität).
Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem SGB V haben keinen über die Verbesserung oder Wiederherstellung der Gesundheit hinausgehenden Zweck. Anders ist dies bei medizinischen Rehabilitationsleistungen, die auf die Erwerbsfähigkeit ausgerichtet sind. Die Gesundung und der Behinderungsausgleich sind dort grundsätzlich nur ein Zwischenziel zur Wiederherstellung oder Erhaltung der Erwerbsfähigkeit oder bei Kindern auf die spätere Erwerbsfähigkeit (BSG, Urteil v. 16.5.2024, B 1 KR 7/23 R).
Rz. 7
Die Leistungen der medizinischen Rehabilitation werden überwiegend während einer stationären oder – an deren Stelle – ambulanten Rehabilitationsmaßnahme erbracht, und zwar regelmäßig während eines Aufenthaltes in einer Rehabilitationsklinik oder sonstigen Rehabilitationseinrichtung. Art, Form und Weise der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation stützen sich inhaltlich auf rehabilitationswissenschaftliche Erkenntnisse.
Rz. 8
Die Rehabilitationsleistung wird dann gekennzeichnet durch eine
- ganzheitliche (= den gesamten Menschen betrachtende),
- multimodale (= am Rehabilitationsprozess sind mehrere unterschiedliche Professionen aus unterschiedlichen Fachrichtungen beteiligt) sowie
- interdisziplinäre (= ein abgestimmtes System ärztlicher, psychologischer, medizinisch-therapeutischer, heilpädagogischer und sozialpädagogischer Leistungen – BT-Drs. 14/5074 S. 107 und BT-Drs. 14/5531 S. 5 zu § 26 a. F.)
Komplexleistung. Komplexleistungen zeichnen sich dadurch aus, dass die notwendigen Leistungsarten und -formen aufeinander abgestimmt sind und von dem Team der beteiligten Professionen (Heilberufe) besonders wirksam und ganzheitlich wie "aus einer Hand" erbracht werden. Das bedeutet: Mehrere Professionen (Heilberufe) sind unter ärztlicher Leitung an der Therapie beteiligt, Therapiepläne und -fortschritte des Rehabilitanden werden im Rehabilitationsteam besprochen, und die einzelnen Therapien werden inhaltlich und zeitlich aufeinander abgestimmt. Wesentlich für die übergreifende Zusammenarbeit ist der Verständigungsprozess, der über Fachgrenzen der jeweiligen Professionen hinweg stattfindet.
Unabhängig davon können Teilleistungen zur medizinischen Rehabilitation (z. B. Hilfsmittel) als solitäre Leistungen außerhalb von ambulanten oder stationären Rehabilitationseinrichtungen erbracht werden (Einzelheiten: Rz. 34). Auch diese Leistungen müssen immer zwingend durch einen Arzt verordnet bzw. angestoßen werden.
Rz. 9
Seit 2001 werden Rehabilitationsleistungen anstatt stationär auch ambulant bzw. in ganztägiger Form erbracht. In der Praxis sind die Erfolge der ambulanten Rehabilitation mit denen der stationären vergleichbar. Auch vom Verständnis her orientiert sich die ambulante Rehabilitation so weit wie möglich an dem Vorbild der stationären.
Im Vergleich zu einer ambulanten Rehabilitation ist die stationäre Form allerdings notwendig bei fehlender Mobilität des Patienten, bei mangelnder psychischer Belastbarkeit, bei der Notwendigkeit pflegerischer Betreuung und ständiger ärztlicher Überwachung sowie bei der Notwendigkeit einer zeitweisen Entlastung und Distanzierung vom sozialen Umfeld.
Der einzige markante Unterschied zwischen ambulanter und stationärer Rehabilitation liegt in der Bereitstellung der Unterkunft; diese "Übernachtungskosten" entfallen bei der ambulanten Rehabilitation. Bei der ambulanten Rehabilitation fährt die versicherte Person jeden Therapietag von ihrer Wohnung zur Rehabilitationseinrichtung und wieder zurück. Häufig erfolgt die Fahrt auch mit einem Shuttle-Service der ambulanten Rehabilitationseinrichtungen. Dieser "Hol- und Bringservice" ist für die Versicherten kostenfrei und wird von dem Rehabilitationsträger finanziert.
Die Verpflegung für die Zeit des Aufenthalts in der Rehabilitation ist übrigens auch Bestandteil der ambulanten Rehabilitation. Während des täglichen 4- bis 6-stündigen Aufenthalts in der ambulanten Rehabilitationseinrichtung wird dem Rehabilitanden deshalb i. d. R. mindestens ein Essen angeboten.
Auch ein Wechsel zwischen ambulanter und stationärer Rehabilitation ist möglich. So kann die ambulante Rehabilitation aus Wirtschaftlichkeitsgründen auch zur Verkürzung der stationären Rehabilitationsleistungen in Betracht kommen.
Neben den Komplexleistungen der stationären oder (stattdessen) ambulanten Rehabilitation gibt es auch solitäre Rehabilitationsleistungen. Näheres hierzu vgl. Rz. 34.
2.2 Grundlagen
Rz. 10
Unter Rehabilita...