OFD Karlsruhe, Verfügung v. 1.6.2007, S 0335 - Karte 1

1. Wird die Einkommensteuerschuld wegen Nichtabgabe der Steuererklärung im Wege der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen festgesetzt, können auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu schätzen sein.

Sind bei der Schätzung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Lohndaten für den Schätzungsfall im elektronischen eTIN-Datenspeicher abgelegt, sind diese Daten bei der Schätzung heranzuziehen. Das gilt auch bei der Schätzung der Steuerabzugsbeträge (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer).

Handelt es sich bei dem Schätzungsfall um einen Pflichtveranlagungsfall und besteht kein Anlass, Einkünfte aus anderen Einkunftsarten zu schätzen, kommt es in der Regel durch den Abzug der Kirchensteuer als Sonderausgaben zu einer Erstattung. Dieses Schätzungsergebnis ist zu akzeptieren. Gleichwohl besteht in diesen Erstattungsfällen die Möglichkeit, einen Verspätungszuschlag festzusetzen (Hinweis auf Karte 1 Tz. 4.2 zu § 152).

2. Soweit im Einzelfall Veranlassung besteht, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit über die im eTIN-Datenspeicher abgelegten Beträge hinaus zu schätzen, sind auch die Lohnsteuerabzugsbeträge zu schätzen und zugunsten des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, wenn anzunehmen ist, dass der Arbeitgeber Steuerabzugsbeträge tatsächlich vom Arbeitslohn einbehalten hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29.2.1996, BFH/NV 1996 S. 606, und vom 21.1.2000, BFH/NV 2000 S. 1080).

Die Lohnsteuerabzugsbeträge sind im Einzelfall nach dem geschätzten Arbeitslohn unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände (Familienstand usw.) zu ermitteln.

3. Eine überhöhte Schätzung des Arbeitslohns und der Lohnsteuerabzugsbeträge lässt sich korrigieren, wenn die Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchgeführt ist oder wenn der Steuerpflichtige gegen den Schätzungsbescheid innerhalb der Einspruchsfrist Einspruch einlegt und die Steuererklärung nachreicht. Die Korrektur der Lohnsteuerabzugsbeträge (Ansatz mit dem zutreffenden, niedrigeren Betrag) kann in diesen Fällen regelmäßig auf § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO gestützt werden.

4. Weist der Steuerpflichtige in anderen als den in Tz. 3 genannten Fällen erst nach Ablauf der Einspruchsfrist nach, dass Einkünfte und Abzugsbeträge mit niedrigeren als bei der Schätzung berücksichtigten Beträgen anzusetzen sind, gilt Folgendes:

Ergibt die Prüfung, dass eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen groben Verschuldens abzulehnen ist, ist auch darauf zu verzichten, die angerechneten Steuerabzugsbeträge durch einen auf § 130 AO gestützten Bescheid auf den tatsächlich gezahlten (niedrigeren) Betrag zu kürzen. Dadurch wird vermieden, dass der Steuerpflichtige, der seine Steuererklärung nachträglich abgibt, schlechter gestellt ist als derjenige, der in gleicher Situation keine Steuererklärung mehr einreicht.

 

Normenkette

AO 1977 § 162

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