2.1 Vorrang geeigneter externer Leistungserbringer (Abs. 1 Satz 1) – Sicherstellungsauftrag § 95
Rz. 6
Die Träger der Eingliederungshilfe sollen – wie bisher schon die Träger der Sozialhilfe – zur Erfüllung ihrer Aufgaben eigene Leistungserbringer nicht neu schaffen, soweit geeignete Leistungserbringer anderer Träger vorhanden sind (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 300).
Im Gegensatz zum Recht bis zum 31.12.2019 verzichtet der Gesetzgeber auf den Zusatz, wonach der Vorrang geeigneter externer Leistungserbringer auch gilt, wenn geeignete Leistungserbringer ausgebaut oder geschaffen werden können. Dieser Zusatz fehlt auch im Vertragsrecht des allgemeinen Sozialhilferechts ab 2020 (§ 75 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i. d. F. des Art. 13 BTHG ab 1.1.2020). Damit entfällt der zum alten Recht vertretene Ansatz einer umfassenden Gewährleistungsverpflichtung/Gewährleistungsverantwortung für Leistungsangebote in Anknüpfung an § 17 SGB I, wonach der Sozialleistungsträger verpflichtet ist, darauf hinzuwirken, dass die Berechtigten die ihnen zustehenden Sozialleistungen umfassend und zügig erhalten (Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 75 Rz. 16; Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 75 Rz. 12). Der Gesetzgeber hat an die Träger der Eingliederungshilfe vielmehr einen Sicherstellungsauftrag adressiert, wonach diese im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine personenzentrierte Leistung für Leistungsberechtigte unabhängig vom Ort der Leistungserbringung sicherzustellen haben (Sicherstellungsauftrag; § 95). Mit § 94 Abs. 4 wird zur Förderung und Weiterentwicklung der Strukturen der Eingliederungshilfe flankierend die Bildung einer Landesarbeitsgemeinschaft, denen auch Vertreter der Leistungserbringer und der Verbände für Menschen mit Behinderungen angehören, vorgeschrieben. Damit erhalten die Träger der Eingliederungshilfe wieder einen größeren Freiheitsgrad, wie sie dieser Verpflichtung nachkommen. Dies kann auch durch die Gewähr von Investitionsmitteln zum Ausbau oder der Schaffung geeigneter Leistungserbringer erfolgen (zur Problematik der Vereinbarkeit der bisherigen Regelung mit dem Schutz des Kernbereichs der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 GG vgl. Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 75 Rz. 20 f.).
Die Feststellung, dass im Bereich des Trägers der Eingliederungshilfe geeignete Leistungserbringer vorhanden sind, erfolgt nach den Kriterien in § 124. Sind geeignete externe Leistungserbringer i. S. d. § 124 vorhanden, sollen die Träger der Eingliederungshilfe diesen Leistungserbringern einen Vorrang gegenüber eigenen Dienstleistern einräumen. Die Sollregelung legt nahe, dass nur in atypischen Ausnahmefällen von der Vorrangregelung abgewichen werden kann (vgl. Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 75 Rz. 23).
Rz. 7
Der primäre Schutzzweck des § 124 ist der Schutz der Träger der Eingliederungshilfe vor unnötigen wirtschaftlichen Aufwendungen, womit der Norm kein subjektives öffentliches Recht Dritter (etwa die Geltendmachung von Konkurrenzschutz durch Leistungserbringer oder Handlungsforderungen gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe durch Leistungsberechtigte) zugeschrieben werden kann (vgl. Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 75 Rz. 24 f.).
2.2 Geeignetheit externer Leistungserbringer (Abs. 1 Satz 2 bis 6)
Rz. 8
Voraussetzung des Abschlusses ist die Eignung des Leistungserbringers für die vom Träger der Eingliederungshilfe nachgefragten Fachleistungen der Eingliederungshilfe. Die qualitative Eignung setzt voraus, dass der Leistungserbringer die Leistungen nach der Art des Bedarfes, den persönlichen Verhältnissen, dem Sozialraum und den eigenen Kräften des Leistungsberechtigten ggf. unter Berücksichtigung der Wohnform wirtschaftlich und sparsam erbringen kann (Grundsätze des § 104). Hinzu kommt die fachgerechte Erbringung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe (vgl. zum bisherigen Recht: LSG Sachsen, Urteil v. 10.6.2015, L 8 SO 58/14 KL, Rz. 33, juris).
Eine dem § 84 Abs. 7 SGB XI entsprechende Regelung, wonach Leistungserbringer verpflichtet sind, im Falle einer Vereinbarung der Vergütung auf Grundlage der Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen, diese Bezahlung der Beschäftigten jederzeit einzuhalten, kennt das Vertragsrecht der Eingliederungshilfe nicht.
Die Verantwortung des Trägers der Eingliederungshilfe für die fachgerechte Leistungserbringung bleibt unberührt. Der Verweis auf die Grundsätze in § 104 dient allein dazu, Auswahlkriterien für die Auslegung des Geeignetheitsbegriffs zu erhalten (bereits zum Verweis auf § 9 SGB XII im bisherigen Recht: Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 75 Rz. 28).
2.2.1 Qualitative Eignung – Beachtung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Abs. 1 Satz 2)
Rz. 9
Die qualitative Eignung betrifft in erster Linie die personelle und sachliche Ausstattung des Leistungserbringers mit dem Ziel, die nachgefragten Fachleistungen der Eingliederungshilfe fachgerecht erbringen zu können. Hinzu kommen Konkretisierungen an die fachlichen (Abs. 2 Satz 1, 2 und 9) sowie persönlichen Anforderungen des Betreuungspersonals (Abs. 2 Satz 3 bis 8).
Ergänzt wird die Eignungsanforderung um das Gebot, die Fachleistungen der Eingli...