0 Rechtsentwicklung
0.1 Bisheriges Recht
Rz. 1
§ 126 übernimmt weitgehend inhaltsgleich die Bestimmungen in § 77 Abs. 1 Satz 3 bis 6 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019 (mit Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2) und § 77 Abs. 2 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019 (mit Abs. 3) und regelt das Verfahren und Inkrafttreten der Vereinbarung, ergänzt um spezifische Regelungen zum Eingliederungshilferecht. Allerdings wird die Zuständigkeit der Schiedsstellen auf alle Vereinbarungen also Leistungs- und Vergütungsvereinbarung erstreckt und damit die mit dem Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts v. 23.7.1996 (BGBl. I S. 1088) mit Wirkung zum 1.1.1999 erfolgte Beschränkung auf die Vergütungsvereinbarung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019) aufgegeben. Vorläufer dieser Regelungen enthielt § 93b Abs. 1 und 2 BSHG.
Abs. 1 Satz 2 bis 4 präzisiert das bisherige Recht.
0.2 Vergleich zum Vertragsrecht des Zehnten Kapitels SGB XII ab 1.1.2020
Rz. 2
§ 126 entspricht inhaltlich dem § 77a XII i. d. F. des Art. 13 BTHG ab 1.1.2020 und gehört zum besonderen Vertragsrechts der Eingliederungshilfe in Teil 2 des Achten Kapitels SGB IX.
Die Zuständigkeit der Schiedsstelle für alle Vereinbarungen wird auch im Vertragsrecht der allgemeinen Sozialhilfe sichergestellt (§ 77 Abs. 2 XII i. d. F. des Art. 13 BTHG ab 1.1.2020).
0.3 Begrenztes Inkrafttreten zum 1.1.2018
Rz. 3
§ 126 tritt zwar bereits zum 1.1.2018 in Kraft. Ihre volle Wirksamkeit entfaltet die Regelung aber erst mit Inkrafttreten der Strukturreform der Eingliederungshilfe (neu) zum 1.1.2020. Im Zeitraum 2018 und 2019 bildet die Vorschrift die Ermächtigungsgrundlage neue Verträge mit Wirkung zum 1.1.2020 vorzubereiten und abzuschließen (vgl. Komm. zu § 123). Soweit der Abschluss neuer Verträge betroffen ist, kann § 126 auch vor dem 1.1.2020 angewendet werden.
1 Allgemeines
Rz. 4
§ 126 regelt das Verfahren und Inkrafttreten der Vereinbarung und gehört zum besonderen Vertragsrecht der Eingliederungshilfe in Teil 2 des Achten Kapitels SGB IX.
1.1. Überblick zu den Regelungen des § 126
Rz. 5
Abs. 1 beschreibt das Verfahren zum Abschluss einer Vereinbarung, die jeweils durch eine schriftliche Verhandlungsaufforderung eingeleitet wird. Sowohl Leistungserbringer als auch Leistungsträger können die Initiative zum Abschluss einer Vereinbarung ergreifen. Abs. 1 Satz 4 stellt erstmals klar, dass die Parteien auf Verlangen jeweils geeignete Nachweise zu den Verhandlungsgegenständen vorzulegen haben.
Abs. 2 regelt das Verfahren, wenn eine Vereinbarung nicht zustande kommt. Auf Antrag einer Partei entscheidet eine unabhängige Schiedsstelle unverzüglich über die strittigen Punkte. Die bisherige Wartefrist von 6 Wochen des Nichtzustandekommens einer schriftlichen Vereinbarung nachdem eine Partei zu Verhandlungen aufgefordert wurde, wurde auf 3 Monate verlängert. Abs. 2 Satz 3 bestimmt, dass gegen die Entscheidung der Schiedsstelle ohne ein weiteres Vorverfahren Klage erhoben werden kann. Die Klage ist wie nach bisher geltendem Vertragsrecht der allgemeinen Sozialhilfe (§ 77 Abs. 1 Satz 4 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019) gegen den Verhandlungspartner und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten (Abs. 2 Satz 4).
Abs. 3 verbietet ausdrücklich rückwirkendes Inkrafttreten von Vereinbarungen oder Festsetzen der Schiedsstelle bereits für Zeiträume vor Abschluss der Vereinbarung oder Eingang des Antrags bei der Schiedsstelle.
2 Rechtspraxis
2.1 Vertragsverhandlungen (Abs. 1)
2.1.1 Vertragsparteien
Rz. 6
Jede potentielle Vertragspartei (Leistungserbringer oder der Träger der Eingliederungshilfe) kann Vertragsverhandlungen initiieren. Dazu muss er die jeweils andere Vertragspartei schriftlich zu Verhandlungen über den Abschluss einer Vereinbarung (Leistungs- und/oder Vergütungsvereinbarung) auffordern. Da nach § 123 Abs. 1 Satz 2 ein Verband, dem der Leistungserbringer angehört, Vertragspartei sein kann, soweit er eine entsprechende Vollmacht nachweist, kann dieser nach Sinn und Zweck des Abs. 1 Satz 1 den Träger der Eingliederungshilfe zu Vertragsverhandlungen auffordern (so auch Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 77 Rz. 7). Soweit Vertragsparteien ihr Interesse bekunden, richten sich Verfahren, Abschluss und Inkrafttreten der Vereinbarungen ausschließlich nach den Vorschriften des Achten Kapitels SGB IX i. d. F. des Art. 1 BTHG.
Abs. 1 Satz 3 stellt die bisherige Rechtspraxis klar, dass die Aufforderung durch den Leistungsträger an einen unbestimmten Kreis von Leistungserbringern gerichtet werden kann. Dies entspricht im Vergaberecht dem Verhandlungsverfahren mit vorherigem Teilnahmewettbewerb. Im Vertragsrecht der Eingliederungshilfe entspricht dies einer Aufforderung, um die für die angestrebte Leistungserbringung die i. S. d. § 124 geeigneten Leistungserbringer ermitteln zu können.
2.1.2 Formelle Anforderungen an eine Aufforderung zu Vertragsverhandlungen
Rz. 7
§ 126 enthält zwar für Erstverhandlungen keine Vorgaben für den notwendigen Inhalt der Aufforderung. Diese sollte zumindest den Verhandlungsgegenstand konkretisieren und sich nicht auf den bloßen Wunsch nach einer Verhandlung beschränken, um die Antragsberechtigung an die Schiedsstelle im Konfliktfall auszulösen. Bei einer Aufforderung zum Abschluss einer Folgevereinbarung sind die Verhandlungsgegenstände zwingend zu benennen (Abs. 1 Satz 2), damit die andere Vertragspartei abschätzen kann, welche Teile des ...