2.1 Wirkung der Zahlung der vereinbarten Vergütung (Abs. 1)
Rz. 6
Modalitäten und Wirkung der Zahlung der vereinbarten Vergütung werden erstmals geregelt. Bisher waren für die öffentlich-rechtliche Vergütungsvereinbarung (vgl. zum Rechtscharakter der Vereinbarungen die Komm zu § 123) nach § 61 Satz 2 SGB X ergänzend die Regelungen des BGB zur Erfüllung von Leistungen (Grundnorm: § 362 BGB) anwendbar.
Abs. 1 Satz 1 bestimmt, dass mit der Zahlung der vereinbarten Vergütung alle während des Vereinbarungszeitraumes entstandenen Ansprüche des Leistungserbringers auf Vergütung der Leistung der Eingliederungshilfe als abgegolten gelten. Die Fassung des Abs. 1 Satz 1 beruht auf der Stellungnahme des Bundesrates (vgl. BR-Stellungnahme zum Entwurf eines BTHG der Bundesregierung BR, 18/9954 S. 48 f.) und erfolgte mit einem Änderungsantrag (BT-Drs. 18/10523 S. 14). Nicht bereits durch die Vergütungsvereinbarung – wie in § 127 SGB IX-Regierungsentwurf vorgesehen –, sondern erst durch die gezahlte Vergütung gelten alle während des Vereinbarungszeitraumes entstandenen Ansprüche des Leistungserbringers als abgegolten.
Zusätzlich stärkt Abs. 1 Satz 1 das Prinzip prospektiver Entgeltvereinbarungen (vgl. auch § 123 Abs. 2 Satz 3), wonach nicht Kosten (retrospektiv) zu erstatten, sondern konkrete Leistungen angemessen zu vergüten sind (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 304). Die Vertragspartner können keine von diesem Prinzip abweichende Vereinbarungen treffen, wie z. B. zu einem nachträglichen Ausgleich von Aufwendungen.
Aufgrund der Stellungnahme des Bundesrates erfolgten mit einem Änderungsantrag (BT-Drs. 18/10523 S. 14) weitere Klarstellungen am Wortlaut, insbesondere wurde für die Bestimmung der zu zahlenden Vergütung auf die tatsächlich bewilligten Leistungen abgestellt (neu: Abs. 1 Satz 2 und 3; vgl. BR-Stellungnahme zum Entwurf eines BTHG der Bundesregierung BR, 18/9954 S. 48 f.).
Abs. 1 Satz 1 und 2 enthalten Konkretisierungen der Grundregel in Abs. 1 Satz 1. Danach bestimmt sich die im Einzelfall zu zahlende Vergütung auf der Grundlage der jeweiligen Vereinbarung nach dem Betrag, der dem Leistungsberechtigten vom zuständigen Träger der Eingliederungshilfe bewilligt worden ist. Höhere Beträge darf der Leistungserbringer nicht verlangen.
Sind Leistungspauschalen nach Gruppen von Leistungsberechtigten kalkuliert (§ 125 Abs. 3 Satz 3, vgl. Komm. zu § 125 Rz 11), richtet sich die zu zahlende Vergütung nach der Gruppe, die dem Leistungsberechtigten vom Träger der Eingliederungshilfe bewilligt wurde.
Die Bewilligung des konkreten Betrages für die Fachleistung der Eingliederungshilfe und die Zuordnung der Leistungsberechtigten zu einer bestimmten Gruppe von Leistungsberechtigten durch den Träger der Eingliederungshilfe erfolgt auf der Grundlage der im Teilhabeplan/Gesamtplan (§§ 19 und 121) festgelegten Teilhabeziele, konkretisiert im Verwaltungsakt des Trägers der Eingliederungshilfe (§ 120).
2.2 Erhöhung der Vergütung aufgrund von Investitionsmaßnahmen (Abs. 2)
Rz. 7
Der neue Abs. 2 stellt sicher, dass ohne Zustimmung des Trägers der Eingliederungshilfe vorgenommene Investitionsmaßnahmen für Anlagen zur Durchführung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe nicht zu einer höheren Vergütung führen (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 304). Investitionsmaßnahmen müssen zu Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode abgesprochen sein, damit sie bei der Vergütungsvereinbarung berücksichtigt werden können. Abs. 2 stärkt somit ebenfalls das Prinzip prospektiver Entgeltvereinbarungen (vgl. Komm. zu § 125).
Allerdings kann das Ermessen reduziert sein und nur eine Zustimmung ermessensfehlerfrei sein, wenn der Leistungserbringer aufgrund öffentlich-rechtlicher Pflichten, z. B. ordnungsbehördlicher Vorgaben aus Gründen des Bau- oder Heimrechts, diese Investition tätigen muss (vgl. Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 76 Rz .20; Fahlbusch, Gutachten DV, NDV 2007 S. 283; Flint, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 76 Rz. 38; Münder, in: HK-SGBXII, § 76 Rz. 22).
2.3 Wegfall der Geschäftsgrundlage (Abs. 3)
Rz. 8
Abs. 3 regelt das ansonsten über § 59 SGB X (Anpassung und Kündigung in besonderen Fällen, vgl. auch § 313 Abs. 3 BGB) greifende Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage/Störung der Geschäftsgrundlage (Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 77 Rz. 2; Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 77 Rz. 49; Münder, in: HK-SGBXII, § 77 Rz. 22), das über die Regelung in Abs. 3 hinausgeht und bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Vertragsanpassung, das Recht zur Kündigung vorsieht (§ 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Abs. 3 verdrängt die ergänzende Anwendbarkeit des § 59 SGB X. Zum öffentlich-rechtlichen Rechtscharakter der Vereinbarungen vgl. die Komm. zu § 123 Rz 20.
Abs. 3 umfasst nur eine Änderung der Annahmen hinsichtlich der Vergütungsvereinbarung, so dass die Sperrwirkung des Abs. 3 für die Leistungsvereinbarung entfällt und § 59 SGB X anwendbar ist (ebenso Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 77 Rz. 31).
Die Ausnahme, dass ein nachträglicher Ausgleich in den Fällen möglich ist, in denen es zu unvorhergesehenen wesentlichen Änderungen der Annahmen gekommen is...