2.1 Nichterfüllung der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen des Leistungserbringers
Rz. 6
Eine Kürzung der Vergütung setzt zunächst voraus, dass dem Leistungserbringer die Nichterfüllung der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen nachzuweisen sind. Die Kriterien sind mit den Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung gemäß § 130 SGB IX i. d. F. des Art. 1 BTHG identisch (vgl. Komm. zu § 130 Rz. 11).
Die Kürzungsmöglichkeit ist gegenüber dem außerordentlichen Kündigungsrecht nach § 130 eine vorgeschaltete Möglichkeit der Vergütungsminderung durch den Träger der Eingliederungshilfe und gibt diesem erstmals ein gesetzlich geregeltes Sanktionsmittel insbesondere in Fällen, in denen aufgrund des eingeschränkten Ausmaßes der Pflichtverletzung eine (außerordentliche) Kündigung nicht in Betracht kommt (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 305).
Sie dient nicht zuletzt auch den Interessen der Leistungsberechtigten, indem die Leistungserbringer zur Vermeidung der Vergütungskürzung zur Erfüllung der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen angehalten werden (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 305).
Im Sinne des § 129 relevante gesetzliche oder vertragliche Verpflichtungen des Leistungserbringers sind – wie bei der außerordentlichen Kündigung gemäß § 130 – Verpflichtungen, die unmittelbar den Leistungsberechtigten oder den Träger der Eingliederungshilfe als Kostenträger vor schädigenden Handlungen schützen (vgl. Komm. zu § 130 Rz. 11).
2.2 Höhe des Kürzungsbetrages
Rz. 7
Kriterien, nach denen die Vergütung zu kürzen ist oder die konkrete Höhe des Kürzungsbetrags, bestimmt § 129 nicht. Die Vergütung kann jedenfalls bis zur der Höhe zurückgefordert werden, in der die Leistung vom Träger der Eingliederungshilfe erbracht worden ist. Soweit der Leistungsberechtigte Selbstzahler ist oder gemäß § 136 einen Beitrag zu leisten hat, der nach § 137 Abs. 3 von den Leistungen des Trägers der Eingliederungshilfe abzuziehen ist, steht der Kürzungsbetrag in dieser Höhe dem Leistungsberechtigten zu (Abs. 2 HS 2).
Dem Wortlaut nach, wirkt sich die Kürzung in voller Höhe bis zur Grenze nur auf Leistungen des Trägers der Eingliederungshilfe aus. Erst wenn dieser Betrag erreicht ist, ist an den selbstzahlenden Leistungsberechtigten zurückzuzahlen. Es erfolgt keine proportionale Beteiligung des Leistungsberechtigten (bezogen auf seinen Kostenanteil) an der Kürzung. Allerdings bleibt dem Leistungsberechtigten bei vertraglichen Schlechtleistungen eine Leistungsminderung seines Zahlbetrages im zivilrechtlichen Rechtsverhältnis zum Leistungserbringer (Dreiecksverhältnis der Vertragsbeziehungen, vgl. Komm. zu § 123 Rz. 9) durchzusetzen.
Letztlich bestimmt die Schwere und Folgen des Verstoßes gegen gesetzliche oder vertragliche Verpflichtungen des Leistungserbringers über das Ausmaß der Kürzung. Im Falle der Nichterfüllung der Personalvorgaben wird der Kürzungsbetrag jedoch nach der Höhe der eingesparten Personalkosten zu bemessen sein (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 305).
2.3 Modalitäten der Kürzung
Rz. 8
Da die Nichterfüllung der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen des Leistungserbringers ex post festgestellt wird, typischerweise durch eine Prüfung von Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen nach § 128, ist die vereinbarte Vergütung für die Dauer der festgestellten Pflichtverletzung entsprechend zu kürzen. Diese kann auch gegenwärtig anhalten, bis das Abstellen des Verstoßes gegen gesetzliche oder vertragliche Verpflichtungen festgestellt wird. Die Abwicklung erfolgt durch Zahlung des Betrages durch den Leistungserbringer oder Verrechnung mit laufenden Zahlungen.
Die Kürzung der Vergütung berechtigt den Leistungserbringer darüber hinaus nicht zur Einschränkung seiner Leistungsverpflichtungen gegenüber den Leistungsberechtigten (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 305).
2.4 Anrufung der Schiedsstelle (Abs. 1 Satz 2 bis 4)
Rz. 9
Über die Höhe des Kürzungsbetrags kann der Träger der Eingliederungshilfe nicht allein bestimmen. Es ist zwischen den Vertragsparteien vielmehr Einvernehmen herzustellen (Abs. 1 Satz 2). Nähere Bestimmungen enthält § 129 nicht. Die Vertragsparteien sollten unverzüglich nach Feststellung (vermeintlicher) Verstöße gegen gesetzliche oder vertragliche Verpflichtungen des Leistungserbringers Verhandlungen aufnehmen und zügig zum Ergebnis führen.
Kommt eine Einigung nicht zustande, kann jede Vertragspartei die Schiedsstelle anrufen, die über das ob und wie der Kürzung entscheidet (Abs. 1 Satz 3). Für das Verfahren bei Entscheidungen durch die Schiedsstelle gilt § 126 Abs. 2 und 3 entsprechend (Abs. 1 Satz 4), vgl. Komm zu § 126 Rz .8 ff.
Kulenkampff sieht die Schiedsstellenfähigkeit der Kürzung der Vergütung sehr kritisch, insbesondere hat er gegen die Entscheidung der Schiedsstelle in voller Besetzung verfassungsrechtliche Bedenken (Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 GG), da in diesem Fall Vertreter möglicher Mitbewerber als Mitglied der Schiedsstelle einen besonderen Einblick in die Interna der streitbefangenen Partei erhielten (Rechtsdienst 4/2016 S. 174, 175). Anders die Rechtslag...