2.1 Systematische Arbeitsprozesse und standardisierte Arbeitsmittel als Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfes
Rz. 3
Die Norm schreibt § 12 fort, in dem nach einer frühzeitigen Bedarfserkennung im zweiten Schritt der Rehabilitationsbedarf zu ermitteln ist. § 13 fordert die Rehabilitationsträger auf, sich zu systematischen Arbeitsprozessen und standardisierten Arbeitsmitteln (Instrumenten) gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 7 zu verabreden. Dabei sollen die Instrumente einheitlich und nachprüfbar sein. Auf der Ebene der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAR) sind dazu entsprechende gemeinsame Empfehlungen vereinbart. Unter systematischen Arbeitsprozessen können z. B. gemeinsame Erhebungs-, Analyse- und Dokumentationsstandards, aber auch standardisierte Arbeitsmittel wie funktionelle Prüfungen (z. B. Sehtest, Intelligenztest oder Hörtest), Selbstauskunftsbögen und IT-Anwendungen (Screeningverfahren) vereinbart werden. Vorhandende Instrumente zur Erkennung des Bedarfs an Leistungen zur Teilhabe sind unter Nutzung der Möglichkeiten des bio-psycho-sozialen Modells der ICF weiterzuentwicklen und, wo möglich, trägerübergreifend zu vereinheitlichen (BAR Gemeinsame Empfehlung Zuständigkeitsklärung und Reha-Prozess, § 13 Abs. 6). Damit kein einheitlich niedriger Standard festgesetzt wird, bestimmt Abs. 2 einen für alle Rehabilitationsträger geltenden Maßstab. Unabhängig einer gemeinsamen Vereinbarung muss jeder Rehabilitationsträger nach seinen geltenden Leistungsgesetzen den Rehabilitationsbedarf vollständig und korrekt ermitteln. Die Gemeinsamen Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) sind für die Träger der Eingliederungshilfe nicht bindend, sodass für die Träger der Eingliederungshilfe die Instrumente der Bedarfsermittlung gemäß § 118 in der zum 1.1.2020 in Kraft getretenen Fassung mit zu berücksichtigen sind. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 können die Rehabilitationsträger die Entwicklung von Instrumenten durch ihre Verbände und Vereinigungen wahrnehmen lassen oder Dritte mit der Entwicklung beauftragen.
Rz. 4
Unabhängig von § 13 können die Leistungsgesetze weitergehende und speziellere Vorgaben festlegen, die den Besonderheiten der jeweiligen Leistungssysteme gerecht werden oder auf eine Konkretisierung verzichten und damit den Rehabilitationsträgern weite fachliche Spielräume bei der Entwicklung und Nutzung der Instrumente überlassen (BT-Drs. 18/9522 S. 232).
2.2 Gesetzliche Mindeststandards für den Einsatzbereich der Instrumente
Rz. 5
Die gesetzlichen Mindeststandards für die Instrumente nach Abs. 1 Satz 1, welche die individuelle und funktionsbezogene Bedarfsermittlung sicherstellen sollen, werden abstrakt generell durch Abs. 2 definiert.
Sie sollen hauptsächlich die Dokumentation und Nachprüfbarkeit der Bedarfsermittlung sicherstellen, indem erfasst wird:
- ob eine Behinderung vorliegt oder einzutreten droht,
- welche Auswirkung die Behinderung auf die Teilhabe der Leistungsberechtigten hat,
- welche Ziele mit Leistungen zur Teilhabe erreicht werden sollen und
- welche Leistungen im Rahmen einer Prognose zur Erreichung der Ziele voraussichtlich erfolgreich sind.
Es handelt sich bei den Nr. 1 bis 4 um eine nicht abschließende Aufzählung, d. h., die Rehabilitationsträger können weitere Standards festlegen, wenn sie dies nach den für sie geltenden Leistungsgesetzen für zweckmäßig erachten (z. B. die systematische Dokumentation über die Leistungserbringung sowie eine Wirkungskontrolle zu den erbrachten Leistungen).
Bei der Festlegung der Grundsätze für die Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfes nach § 26 Abs. 2 Nr. 7 hat sich die BAR nach den gesetzlichen Mindeststandards zu richten.
Rz. 6
Mit den "Instrumenten" soll zunächst eine Erfassung des Umstands garantiert werden, ob eine Behinderung vorliegt oder ob eine solche zumindest einzutreten droht (§ 13 Abs. 2 Nr. 1). Zu diesem Zweck ist zu erfassen, welche Abweichungen i. S. d. § 2 Abs. 1 bestehen und welche Wertigkeit i. S. d. § 152 Abs. 1 Satz 1 ihnen zukommt bzw. welche Hinweise darauf bestehen, dass solche Abweichungen in naher Zukunft dem Leistungsberechtigten drohen. Dabei ist eine medizinisch fundierte Prognose zu erstellen, da anders eine Nachprüfbarkeit der Bedarfsermittlung nicht gegeben ist. Grundlage dafür bildet die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO), welche eine einheitliche Kommunikation über die Auswirkungen von Gesundheitsproblemen unter Beachtung des gesamten Lebenshintergrunds eines Menschen ermöglichen. Die ICF ist gemäß BTHG insbesondere Bezugspunkt der Bedarfsermittlung im Eingliederungshilferecht und Grundlage des neu definierten Behinderungsbegriffs. Die Ergebnisse und die Gründe der nach ICF-Orientierung aufgestellten Prognose haben die Rehabilitationsträger entsprechend zu dokumentieren. Die Instrumente müssen demnach so ausgestaltet sein, dass sie die Dokumentation und Nachprüfbarkeit der Bedarfsermittlung sicherstellen (Zinsmeister, in: LPK-SGB IX, § 13 Rz. 9).
Rz. 7
Sodann ist zu ermitteln, zu begründen und zu dokumentieren, ob und ggf. inwiefern sich eine Behinderung des Leistungsberechtigten auf seine Fähigkeit zur gl...