2.1 Inhalt der Zielvereinbarungen
Rz. 6
Die Zielvereinbarung kann neue Wege der Bestimmung von Leistungsinhalten und Vergütungsabreden enthalten aber auch Inhalte der Vereinbarungen nach Teil 2 des Achten Kapitels SGB IX i. d. F. Art. 1 BTHG ab 1.1.2020 ergänzen (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 306).
Zu Vergütungsvereinbarungen nach § 125 Abs. 3 werden alternative Methoden wie Leistungsmengenbudgets, Leistungserbringerbudgets und Sozialraumbudgets diskutiert. Diese können aber aufgrund der Öffnungsklausel in § 125 Abs. 3 Satz 4 auch bereits als Vereinbarung Vertragsinhalt einer Vergütungsvereinbarung werden.
Die Bildung und Ausschreibung von Leistungskontingenten ist allerdings kritisch zu sehen. Hier kommt es sehr auf die Details und die Marktchancen des gesamten Bewerberfeldes an. Rechtsprechung und Literatur sehen die Gefahr einer möglichen Umgehung des Verbots der Einbeziehung von Bedarfsgesichtspunkten in das Abschlussermessen (vgl. Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 75 Rz. 64; Glahs/Rafi, sozialrecht aktuell 2016 S. 176; OVG Berlin, Urteil v. 4.4.2005, OVG 6 S 415/04, RsDE (2006) Nr. 63 S. 67, 73). Auch kann eine Vergabepraxis mit Bildung von Leistungskontingenten wettbewerbsbeschränkend wirken (Pietzcker, NVwZ 2007 S. 1225, 1227).
Rz. 7
Unter § 132 könnte auch eine Umstellung des Einkaufs von Fachleistungen der Eingliederungshilfe auf das Vergaberecht fallen. Wettbewerbsrechtliche Vorgaben würden nicht beeinträchtigt. Aber insbesondere im Hinblick auf das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten und die damit verbundene Auswahlmöglichkeit der Leistungsanbieter ist eine Auslegung des § 132, die eine Anwendung des Vergaberechts eröffnet, kritisch zu sehen. Eine Abweichung von den Bestimmungen der §§ 123 ff. durch § 132 setzt voraus, dass das sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis gewahrt bleibt (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 306; vgl. auch Komm. zu § 123 Rz. 9). So schreibt Abs. 2 auch ausdrücklich die Wahrung der Rechte der Leistungsberechtigten vor.
2.2 Verhältnis zu individuellen Leistungsansprüchen (Abs. 2)
Rz. 8
Abs. 2 stellt klar, dass individuelle Leistungsansprüche der Leistungsberechtigten durch eine Zielvereinbarung nach Abs. 1 nicht beeinträchtigt werden dürfen.
Die Konkretisierung des Leistungsfalls erfolgt ausschließlich durch die im zivilrechtlichen Schenkel des Dreiecksverhältnisses abgeschlossene Vereinbarung des Leistungsberechtigten mit dem Leistungserbringer auf der Grundlage der im Teilhabeplan/Gesamtplan (§§ 19 und 121) festgelegten Teilhabeziele, konkretisiert im Verwaltungsakt des Trägers der Eingliederungshilfe (§ 120).
2.3 Keine Zielvereinbarungen in Verbindung mit Leistungen der Hilfe zur Pflege (Abs. 3)
Rz. 9
Der Abschluss einer Zielvereinbarung ist ausgeschlossen, wenn neben Fachleistungen der Eingliederungshilfe auch Leistungen der Hilfe zur Pflege durch Träger der Sozialhilfe geleistet werden (Abs. 3). Nicht ausgeschlossen sind Zielvereinbarungen, wenn neben Fachleistungen der Eingliederungshilfe lediglich Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung in Betracht kommen, wie die in den neuen Wohnformen nach § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII gedeckelte pauschale Beteiligung der Sozialen Pflegeversicherung (§ 43a SGB XI i. d. F. d. Dritten Pflegestärkungsgesetzes – PSG III v. 23.12.2016, BGBl. I S. 3191); ein Fall, der im Hinblick auf die weitgehende Leistung von Pflegehilfen als Eingliederungshilfe statt Hilfe zur Pflege (vgl. § 103) häufig vorkommen dürfte.
2.4 Verfahren
Rz. 10
Die Zielvereinbarung muss im Verhandlungsweg erfolgen, d. h., die vom Vertragsrecht abweichenden Inhalte müssen durch die beteiligten Parteien (Träger der Eingliederungshilfe und Leistungserbringer) einvernehmlich festgesetzt werden.
Einen Konfliktmechanismus, etwa die Möglichkeit der Anrufung der Schiedsstelle bei Nichteinigung, sieht § 132 nicht vor. Zielvereinbarungen als hochinnovatives Mittel, Alternativen zu herkömmlichen Vereinbarungen zu entwickeln, sollen allein in der Sphäre der Parteien bleiben. Etwa der strittige Spruch einer Schiedsstelle mit Stichentscheid des Vorsitzenden (vgl. Komm. zu § 133 Rz. 17; § 133 Abs. 4) dienen nicht der umfassenden Akzeptanz alternativer Wege der Leistungsbeziehung zwischen Trägern der Eingliederungshilfe und Leistungserbringern.
Aus diesem Grund kann das Begehren auf Abschluss einer Zielvereinbarung nicht Streitgegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens werden. Bei Streitigkeiten aus einer abgeschlossenen Zielvereinbarung kann bei Rechtsschutzinteresse allerdings eine Feststellungs- oder Leistungsklage vor dem Sozialgericht möglich sein.