2.1 Grundsatz der Anrechnung
Rz. 3
Grundsatz des § 158 Abs. 1 ist, dass ein schwerbehinderter Mensch, der auf einem Arbeitsplatz i. S. d. § 156 Abs. 1 oder auf einer Stelle i. S. d. § 156 Abs. 2 Nr. 1 oder 4 beschäftigt ist, auf einen Pflichtarbeitsplatz des Arbeitgebers angerechnet wird.
2.2 Mehrfachanrechnung
Rz. 4
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist § 159, in dem hier zugelassen wird, dass ein schwerbehinderter Mensch auch auf mehr als einen Pflichtarbeitsplatz angerechnet werden kann. In Betracht kommt eine Anrechnung auf höchstens drei Pflichtarbeitsplätze. Im Ergebnis bedeutet dies, dass ein Arbeitgeber mit der Beschäftigung nur eines schwerbehinderten Menschen bis zu drei Pflichtarbeitsplätze besetzen kann, und so von der Beschäftigung zwei weiterer schwerbehinderter Menschen oder der Zahlung der Ausgleichsabgabe für zwei ansonsten unbesetzte Pflichtarbeitsplätze befreit wird.
Rz. 5
Maßgebend für die Erfüllung der Beschäftigungspflichtquote ist die Zahl der besetzten Arbeitsplätze, nicht die Zahl der beschäftigten schwerbehinderten Menschen. Hat ein Arbeitgeber mit 100 Arbeitsplätzen 5 Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen, erreicht er mit der Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen, der auf drei Pflichtarbeitsplätze angerechnet wird, bereits eine Beschäftigungsquote von drei Prozent. Zur Besetzung der zwei verbleibenden Pflichtarbeitsplätze müsste er entweder zwei weitere schwerbehinderte Menschen beschäftigen oder einen schwerbehinderten Menschen, der auf zwei Pflichtarbeitsplätze angerechnet werden kann.
Infolgedessen ist eine Abwägung vorzunehmen, ob es im öffentlichen Interesse und im Interesse der arbeitsuchenden schwerbehinderten Menschen gerechtfertigt ist, die Erfüllung der Beschäftigungspflicht durch Mehrfachanrechnungen schwerbehinderter Menschen auf Pflichtarbeitsplätze zu erleichtern. Der Gesetzgeber hat die Mehrfachanrechnung deshalb auf besonders betroffene schwerbehinderte Menschen i. S. d. § 155 Abs. 1 sowie auf solche schwerbehinderten Menschen, die wegen ihrer Behinderung in Teilzeit beschäftigt sind, beschränkt. Die Mehrfachanrechnung (regelmäßig zweifach, in besonderen Fällen dreifach) gilt ferner für schwerbehinderte Menschen, die zur beruflichen Ausbildung (im Einzelnen s. 2.4) beschäftigt werden. Mit dem Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen werden durch die Ergänzung des Abs. 1 Satz 2 die schwerbehinderten Menschen, die im Anschluss an eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt werden, ausdrücklich zu den Personengruppen gezählt, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass ihre Teilhabe am Arbeitsleben auf besondere Schwierigkeiten stößt. Im Grunde kann hier von einer Klarstellung des Gesetzgebers ausgegangen werden, da diese Personengruppe auch unter die in § 155 Abs. 1 aufgeführten Gruppen schwerbehinderter Menschen gefasst werden könnte. Mit der Ergänzung in Satz 2 wird jedoch Auslegungsschwierigkeiten in der Praxis Rechnung getragen.
2.2.1 Mehrfachanrechnung besonderes betroffener schwerbehinderter Menschen
Rz. 6
Der Gesetzgeber hat sich im Interesse der Verbesserung der Beschäftigungschancen wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung besonders betroffener schwerbehinderter Menschen in begrenztem Umfang für die Ermöglichung einer Mehrfachanrechnung entschieden, diese Möglichkeit aber auf einen eng definierten Personenkreis beschränkt. Dieser Personenkreis muss dadurch gekennzeichnet sein, dass die Teilhabe am Arbeitsleben auf besondere Schwierigkeiten stößt. Beispielhaft, aber nicht abschließend, genannt sind die schwerbehinderten Menschen i. S. d. § 155 Abs. 1.
Rz. 7
Das sind diejenigen schwerbehinderten Menschen, die nach Art oder Schwere ihrer Behinderung im Arbeitsleben besonders betroffen sind, insbesondere solche,
- die zur Ausübung der Beschäftigung wegen ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend einer besonderen Hilfskraft bedürfen oder
- deren Beschäftigung infolge ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend mit außergewöhnlichen Aufwendungen für den Arbeitgeber verbunden ist oder
- die infolge ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend offensichtlich nur eine wesentlich verminderte Arbeitsleistung erbringen können oder
- bei denen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 allein infolge geistiger oder seelischer Behinderung oder eines Anfallsleidens vorliegt oder
- die wegen Art oder Schwere der Behinderung keine abgeschlossene Berufsbildung i. S. des Berufsbildungsgesetzes haben;
- ferner schwerbehinderte Menschen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben.
Rz. 7a
Mit Art. 2 des Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts v. 6.6.2023 (BGBl. Nr. 146) wurde mit Wirkung zum 1.1.2024 Abs. 2a eingefügt. Dieser bestimmt, dass ein schwerbehinderter Mensch, der unmittelbar vorher in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter beschäftigt war oder ein Budget für Arbeit erhält, in den ersten 2 Jahren der Beschäftigung auf 2 Pflichtarbeitsplätze angerechnet werde. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens hatte der Bundesrat diese Ergänzung vorgeschlagen (BR-Drs. 158/23). Der ...