2.1 Wegfall der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch
Rz. 2
Die Vorschrift bestimmt, dass die im Teil 3 SGB IX getroffenen besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen nicht mehr anzuwenden sind, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft entfallen ist. § 38 des Schwerbehindertengesetzes in der bis zum 30.6.2001 geltenden Fassung sprach von dem Erlöschen des gesetzlichen Schutzes Schwerbehinderter.
Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 entfallen, wenn eine Behinderung oder eine Behinderung mit einem Grad von weniger als 50 (hierzu die abweichende Regelung des 2. HS) nicht mehr vorliegt, der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzbuches verlegt wird oder keine Beschäftigung mehr im Inland ausgeübt wird.
Rz. 3
Abs. 1 HS 2 regelt, dass bei Verminderung des Grades der Behinderung auf unter 50 die besonderen Vorschriften nicht direkt nach Wegfall der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, sondern erst nach einer Frist von 3 Monaten nicht mehr anzuwenden sind. Während die besonderen Regelungen in den Fällen des ersten Halbsatzes auch ohne einen besonderen Bescheid der nach § 152 zuständigen Behörden nicht mehr anzuwenden sind (allerdings ist der Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch mit dem Erlöschen des gesetzlichen Schutzes einzuziehen – § 152 Abs. 5 Satz 4), gilt dies in den Fällen der Verminderung des Grades der Behinderung auf weniger als 50 erst dann, wenn die Herabsetzung durch einen Bescheid der zuständigen Behörde festgestellt ist und dieser Bescheid unanfechtbar geworden ist. Die Frist von drei Monaten beginnt erst mit der Unanfechtbarkeit des Bescheides.
Rz. 4
Mit den besonderen Regelungen des Teils 3, oder (bis 30.6.2001) dem gesetzlichen Schutz Schwerbehinderter, sind alle Vorschriften gemeint, die im Teil 3 SGB IX sowie in den jeweiligen Verordnungen zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffen sind, etwa die Vorschriften über den Kündigungsschutz, die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr, begleitende Hilfe im Arbeitsleben durch die Integrationsämter, Wahlberechtigung zur Schwerbehindertenvertretung (nicht Wählbarkeit; während wahlberechtigt nur die beschäftigten schwerbehinderten Menschen sind (§ 177 Abs. 2) ist die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch für die Wählbarkeit nicht Voraussetzung – § 177 Abs. 3 Satz 1).
Die "Auslauffrist" von 3 Monaten gilt ausdrücklich nur für die Anwendung der "besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen", also nicht für andere Rechtsbereiche als den Teil 3 des SGB IX.
Rz. 5
Zu den Regelungen, die nicht mehr anzuwenden sind, gehören auch die Vorschriften über den Zusatzurlaub. Hier ist die durch das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen v. 23.4.2004 (BGBl. I S. 606) erfolgte Änderung des § 125 (ab 1.1.2018: § 208) SGB IX zu beachten, wonach der Zusatzurlaub nicht mehr in voller Höhe zusteht, wenn die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nur in einem Teil des Urlaubsjahres bestanden hat. Verringert sich der Grad der Behinderung im Verlauf des Urlaubsjahres auf unter 50, besteht der Anspruch auf Zusatzurlaub – über den Ablauf der Frist von 3 Monaten hinaus – in dem Urlaubsjahr nur noch anteilig.
Beispiel 1:
Unanfechtbarkeit des Bescheides (ggf. nach einem Widerspruchsverfahren oder einem sozialgerichtlichen Verfahren): 15.7.2004
Ablauf der Dreimonatsfrist: 31.10.2004
Urlaubsanspruch: bis 31.10.2004
Beispiel 2:
Unanfechtbarkeit des Bescheides (ggf. nach einem Widerspruchsverfahren oder einem sozialgerichtlichen Verfahren): 15.11.2004
Ablauf der Dreimonatsfrist: 28.2.2005
Urlaubsanspruch: 2004 in voller Höhe und 2005 für 2 Monate
2.2 Auswirkungen bei anderen Rechtsbereichen
Rz. 6
Das Erlöschen des Schwerbehindertenschutzes hat nicht nur Bedeutung für die Anwendung der Vorschriften nach dem Teil 3 SGB IX, sondern auch für andere Rechtsvorschriften. Im Gegensatz zu der "Auslauffrist" bezüglich der Anwendung der Regelungen des Teils 3, tritt das Erlöschen des Schwerbehindertenschutzes in den nachfolgend genannten Fällen direkt ein. Zu nennen sind das Einkommensteuerrecht mit den in § 33b EStG geregelten Steuerfreibeträgen für schwerbehinderte Menschen, das SGB XII mit dem in § 30 Abs. 4 geregelten Mehrbedarf für schwerbehinderte Menschen, das Wohngeldgesetz mit den erweiterten Freibeträgen für schwerbehinderte Menschen, das SGB V mit dem in § 9 Abs. 1 Nr. 4 geregelten Recht des Beitritts zur freiwilligen Versicherung, das SGB VI mit der in § 37 geregelten Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Vollendung des 63. Lebensjahres. Hier gilt, dass die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch bei Beginn der Altersrente vorliegen und anerkannt sein muss. Fällt die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nach dem Rentenbeginn weg, bleiben die Voraussetzungen für den Bezug der Rente erhalten. Trotz Wegfalls der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch bleiben die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen bestehen, wenn der Altersrentenbezieher infolge Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze (§ 34 Abs. 2, 3 SGB VI) statt der bisher be...