2.1 Anforderungen an andere Leistungsanbieter
Rz. 3
In Abs. 2 wird bestimmt, dass die für Werkstätten geltenden Vorschriften für andere Leistungsanbieter mit den in den Nr. 1 bis 8 beschriebenen Ausnahmen ebenfalls gelten. In der Formulierung sind die "Vorschriften für Werkstätten für behinderte Menschen" genannt. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass alle die im Kapitel 12 des Teils 3 (§§ 219 bis 227) genannten Vorschriften gemeint seien, also auch die für Werkstätten geltenden Vergünstigungen der Anrechnung von Aufträgen auf die Ausgleichsabgabe (§ 223) und die Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand (§ 224).
Das war jedoch nicht die Absicht des Gesetzgebers, wie sich auch aus der Begründung in BT-Drs. 18/9522 zu § 60 ablesen lässt. Dort wird "insbesondere" auf die Zielsetzung (der Werkstätten für behinderte Menschen) des § 56 verwiesen. Zielsetzung der Werkstätten für behinderte Menschen ist die Erhaltung, Entwicklung, Verbesserung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Erwerbsfähigkeit der Menschen mit Behinderungen, die Weiterentwicklung der Persönlichkeit dieser Menschen und die Ermöglichung und Sicherung der Beschäftigung dieser Menschen. Gemeint war, dass auch andere Leistungsanbieter folglich die gleichen Aufgaben wie die Werkstätten für behinderte Menschen erfüllen müssen und die an die Werkstätten für behinderte Menschen in der Werkstättenverordnung gerichteten fachlichen Anforderungen auch für die anderen Leistungsanbieter gelten müssen.
Dass die für Werkstätten geltenden Vergünstigungen der Anrechnung von Aufträgen auf die Ausgleichsabgabe (§ 223) und die Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand (§ 224) nicht für andere Leistungsanbieter gelten, ist durch das Gesetz zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften v. 30.11.2019 (BGBl. I S. 1948) zum 1.1.2020 klargestellt worden.
2.2 Ausnahmen von den Anforderungen
Rz. 4
Abs. 2 benennt in den Nr. 1 bis 8 in einer abschließenden Aufzählung, welche Anforderungen an Werkstätten für behinderte Menschen für andere Anbieter nicht oder mit Maßgaben gelten.
Dazu gehören die förmliche Anerkennung, eine Mindestplatzzahl von 120 Plätzen (§ 7 Abs. 1 Werkstättenverordnung) sowie die Anforderungen an die räumliche und sächliche Ausstattung (§ 8 Werkstättenverordnung). Damit sollen auch kleinere Leistungsanbieter sowie solche, die Maßnahmen der beruflichen Bildung oder eine Beschäftigung nicht in eigenen Räumlichkeiten anbieten, sondern solche Maßnahmen auf Plätzen in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Form von "ausgelagerten Bildungs- und Arbeitsplätzen" (für Werkstätten für behinderte Menschen eine Aufgabe nach § 219 Abs. 1 Satz 5 und zugleich fachliche Anforderung nach § 5 Abs. 4 Werkstättenverordnung) durchführen, als andere Leistungsanbieter nicht ausgeschlossen sein.
Dem Anliegen des Bundesrates, für kleinere Leistungsanbieter, konkret solche mit bis zu 20 Menschen mit Behinderungen, weitere Ausnahmen von den fachlichen Anforderungen an Werkstätten für behinderte Menschen, wie die Anforderungen an die personelle Ausstattung und die Anforderungen an die Qualifikation des Fachpersonals nach § 9 Werkstättenverordnung, zuzulasssen (BR-Drs. 428/16), ist die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung nicht gefolgt (BT-Drs. 18/9954). Auch unter Berücksichtigung der Zielsetzung, kleinere Leistungsanbieter nicht zu überfrachten, könne dieses Ergebnis nicht befürwortet werden.
Rz. 5
Ein anderer Leistungsanbieter muss, anders als eine Werkstatt für behinderte Menschen, nicht Maßnahmen der beruflichen Bildung und Leistungen zur Beschäftigung anbieten, er kann seine Angebote auch auf die berufliche Bildung oder auf eine Beschäftigung beschränken (Nr. 3).
Will er Leistungen der beruflichen Bildung anbieten, benötigt er, wenn die Bundesagentur für Arbeit für die Leistung der zuständige Rehabilitationsträger ist, eine Träger- und Maßnahmezulassung nach den Vorschriften des SGB III (§§ 176 ff. SGB III).
Ist ein Träger der Eingliederungshilfe zuständiger Leistungsträger, ist der andere Leistungsanbieter Leistungserbringer i. S. v. Kapitel 8 des Teils 2. Er hat mit dem Leistungsträger eine schriftliche Vereinbarung abzuschließen, bei der der Leistungsträger prüft, ob der Leistungserbringer geeignet ist (§ 124) und die an ihn in § 60 gerichteten Qualitätsanforderungen erfüllt.
Rz. 6
Ein anderer Leistungsanbieter hat anders als eine Werkstatt für behinderte Menschen keine Verpflichtung zur Aufnahme von Menschen mit Behinderungen, wenn sie die Leistungsvoraussetzungen erfüllen (Nr. 4). Eine Werkstatt für behinderte Menschen hat eine solche Verpflichtung (§ 220 Abs. 1). Diese Regelung ist von Verbänden kritisiert worden mit dem Vorbringen, dies könne dazu führen, dass sich ein anderer Leistungsanbieter anders als eine Werkstatt für behinderte Menschen aussuchen könne, ob er auch leistungsschwächere Menschen aufnehmen wolle. Er werde die Auswahl auf leistungsstärkere Menschen mit Behinderungen beschränken. Dies führe zu einem Wettbewerbsnachteil der Werkstätten für behinderte Menschen. Die Bu...