Rz. 6
Der Begriff der Behinderung hat sich im Laufe der Zeit entwickelt und wurde bezogen auf die Länder der Erde unterschiedlich interpretiert. Erst die Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelte 1980 mit der ICIDH (International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps bzw. Internationale Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen) ein Klassifikationsschema von Behinderung.
Rz. 7
Die ICIDH beschäftigt sich mit den Folgen von Gesundheitsproblemen auf der Ebene
der Schädigungen, und zwar bezogen auf die Struktur des Körpers und/oder auf die Funktionen von Organen und Organsystemen,
(impairment = Schädigung = Störung der biologischen und/oder psychischen Struktur und Funktion; Mängel oder Abnormitäten der anatomischen, psychischen oder physiologischen Funktionen und Strukturen des Körpers);
der Beeinträchtigungen der betroffenen Person wegen der Schädigungen,
(disability = Beeinträchtigung = Störung der Fähigkeiten der betroffenen Person zur Ausführung zweckgebundener Handlungen; Funktionsbeeinträchtigung oder -mängel aufgrund von Schädigungen, die typische Alltagssituationen behindern oder unmöglich machen; hierunter versteht man auch jede durch die Schädigung verursachte Einschränkung oder jeden Verlust der Fähigkeit, Aktivitäten in der Art und Weise oder in dem Umfang auszuführen, die für einen Menschen als "normal" angesehen werden);
und
der aus den Beeinträchtigungen resultierenden Folgen im Alltag bzw. bei der Teilnahme am aktiven Leben in der Gesellschaft,
(handicap = Behinderung = Störung der sozialen Stellung oder Rolle des benachteiligten Menschen und seiner Fähigkeit zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben; Nachteile einer Person wegen einer Schädigung/ Beeinträchtigung, z. B. Beeinträchtigung in der Haushaltsführung, bei der Ausübung von sozialen Kontakten, bei der Orientierung, im Beruf).
Rz. 7a
An der ICIDH wurde kritisiert, dass
- die Begriffe negativ gefärbt seien,
- das Modell stark medizinisch ausgerichtet sei und
- die tatsächlichen Verhältnisse der Krankheitsfolgen nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Außerdem wurde der Klassifikation angelastet, dass die fördernden oder hemmenden Umweltbedingungen (Kontextfaktoren; Mit- und Umwelt), denen der jeweilige Mensch ausgesetzt sei, nicht berücksichtigt würden. Z. B. war nach der ICIDH eine herzkranke Frau, die im 3. Stock eines Hauses ohne Aufzug lebte und keine Treppen steigen konnte, hinsichtlich der Auswirkungen der Behinderungen nicht anders zu beurteilen als eine gleich kranke Frau, die im Erdgeschoss einer Wohnung lebt und in ihrem Alltag keine Treppen (Barrieren) zu überwinden hat.