2.1 Geltungsbereich
Rz. 2
Die Vorschrift gilt für alle schwerbehinderten und diesen gleichgestellten behinderten Beschäftigten unabhängig von der Art der ausgeübten Tätigkeit. Sie ist auch unabhängig davon anwendbar, ob die Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz i. S. d. § 156 Abs. 1 oder auf einer Stelle i. S. d. § 156 Abs. 2 ausgeübt wird, die nicht als Arbeitsplatz gilt.
Rz. 3
Anspruch auf Freistellung haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Beamtinnen und Beamte sowie Richterinnen und Richter. Für schwerbehinderte Soldatinnen und Soldaten ist der Anspruch auf Freistellung von Mehrarbeit in § 211 Abs. 4 Satz 1, in dem die für die persönliche Rechtsstellung schwerbehinderter Soldatinnen und Soldaten unmittelbar geltenden Vorschriften aufgezählt sind, nicht geregelt. § 207 ist dort nicht aufgeführt. Nach Satz 2 gelten die Vorschriften über die persönliche Rechtsstellung der schwerbehinderten Menschen aber "im Übrigen", soweit sie mit den Besonderheiten des Dienstverhältnisses vereinbar sind. Ob ein Anspruch auf Freistellung von Mehrarbeit mit den Besonderheiten vereinbar ist, muss im Einzelfall unter Berücksichtigung des Auftrags der Bundeswehr beurteilt werden.
Die Vorschrift stellt kein Verbot von Mehrarbeit dar. Freistellung erfolgt also nur, wenn der schwerbehinderte Mensch dies ausdrücklich verlangt.
2.2 Begriff der Mehrarbeit
Rz. 4
Unter Mehrarbeit i. S. d. § 207 ist nicht die über die individuelle Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen hinausgehende tägliche Arbeitszeit zu verstehen, sondern die werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden (BAG, Urteile v. 8.11.1989, 5 AZR 642/88, v. 3.12.2002, 9 AZR 462/01, und v. 21.11.2006, 9 AZR 176/06).
Nach § 3 Satz 1 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) v. 6.6.1994 (BGBl. I S. 1170) darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer 8 Stunden nicht überschreiten. Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten, so dass für die Höchstdauer der täglichen Arbeitszeit für Beamte und Beamtinnen diesem Gesetz nichts entnommen werden kann. In den beamtenrechtlichen Vorschriften sind jedoch vergleichbare Regelungen getroffen.
Rz. 5
Auf die dem ArbZG vorangegangenen Vorschriften der Arbeitszeitordnung nimmt das BAG in dem oben genannten Urteil Bezug. Auch in dieser Vorschrift (§ 3) galt der Grundsatz des 8-Stunden-Tages. Hieran hat § 3 ArbZG 1994 nichts geändert, auch wenn die tarifliche Praxis schon zu dieser Zeit von anderen Arbeitszeitregelungen ausgegangen ist.
Rz. 6
Der Begriff "Mehrarbeit" ist danach von dem Begriff "Überstunden" abzugrenzen. "Überstunden" sind diejenigen Stunden, die über die für das jeweilige Beschäftigungsverhältnis vereinbarte oder tarifvertraglich geltende Arbeitszeit hinausgehen.
Ist nach einem Tarifvertrag also eine tägliche Arbeitszeit von 7 Stunden vereinbart, darf eine zu leistende weitere Stunde als "Überstunde" von dem schwerbehinderten Beschäftigten nicht abgelehnt werden. Verlangt der Arbeitgeber statt dessen über die vereinbarten 7 Stunden hinaus 2 weitere Stunden, muss der schwerbehinderte Mensch eine Stunde als "Überstunde" leisten, die weitere Stunde kann er als "Mehrarbeit" ablehnen.
Rz. 7
Ein in Teilzeit beschäftigter schwerbehinderter Mensch mit einer täglichen Arbeitszeit von 4 Stunden kann Überstunden (bis zur Höchstgrenze einer Arbeitszeit von 8 Stunden täglich) nicht mit der Begründung ablehnen, für ihn als Teilzeitbeschäftigten gelte als gesetzliche Arbeitszeit eine geringere tägliche Arbeitszeit. Auch für einen solchen Beschäftigten gilt als gesetzliche Arbeitszeit der Grundsatz des 8-Stunden-Tages.
Rz. 8
Der Anspruch auf Freistellung von Mehrarbeit über die Ableistung der gesetzlichen täglichen Arbeitszeit hinaus gilt auch für Nachtarbeiter. Auch hier gilt gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 ArbZG, dass die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer 8 Stunden nicht überschreiten darf. Einen Anspruch auf generelle Freistellung von Nachtarbeit kann ein schwerbehinderter Beschäftigter nur nach den allgemeinen Grundsätzen des § 6 Abs. 4 ArbZG beanspruchen.