Rz. 9
Abs. 2 enthält in der durch Art. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) erweiterten Fassung die Verordnungsermächtigung zum Erlass der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung. Die Vorschrift in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, mit Zustimmung des Bundesrates in einer Verordnung die Mitwirkung der behinderten Menschen im Arbeitsbereich der Werkstätten im Einzelnen zu regeln. Die Ermächtigungsvorschrift ist in ihrem Wortlaut mit Inkrafttreten des Gesetzes zum 30.12.2016 erweitert worden, um in der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung nun auch die durch die Einführung von Mitbestimmungsrechten der Werkstatträte und die Einführung des Amtes einer Frauenbeauftragten in den Werkstätten für behinderte Menschen notwendigen Regelungen treffen zu können. Zur näheren Regelung von Art und Umfang der Mitbestimmung und Mitwirkung gehört ausdrücklich auch eine Bestimmung des Konfliktregelungsverfahrens, die Bildung einer Vermittlungsstelle für die Fälle, in denen zwischen Werkstatt und Werkstattrat keine Einigung erzielt werden kann. Die nähere Regelung zur Geschäftsführung des Werkstattrats schließt die Möglichkeit zum Erlass einer Geschäftsordnung durch Beschluss des Werkstattrats in sich ein.
Die Änderungen in der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung sind in Art. 22 des Bundesteilhabegesetzes erfolgt und ebenfalls wie die erweiterte Ermächtigungsvorschrift am 30.12.2016 in Kraft getreten.
Die wesentlichen Änderungen sind
- Einführung von Mitbestimmungsrechten in den besonders wichtigen Fragen wie Arbeitsentgelte, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Grundsätze für die Fort- und Weiterbildung,
- Erhöhung der Zahl der Mitglieder des Werkstattrates in großen Werkstätten (bisher höchstens 7 Mitglieder, nun je nach Größe der Werkstatt bis zu 13 Mitglieder),
- Verbesserungen bei der Freistellung für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen (bisher 10, nun 15 Tage je Amtszeit, bei erstmaliger Wahrnehmung des Amtes als Mitglied des Werkstattrates 20 Tage),
- vollständige Freistellung auch der/des stellvertretenden Vorsitzenden des Werkstattrates,
- die Vertrauensperson muss nicht mehr aus dem Fachpersonal der Werkstatt stammen,
- Finanzierung der überregionalen Interessenvertretungen der Werkstatträte auf Bundes- und Landesebene über die Kostensätze der Werkstätten durch die Träger der Eingliederungshilfe,
- Einführung des Amtes einer Frauenbeauftragten für die weiblichen Werkstattbeschäftigten.
Rz. 10
Auch mit der erweiterten Ermächtigung kann in der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung weiterhin bestimmt werden, dass die in ihr getroffenen Regelungen angesichts der verfassungsrechtlich garantierten besonderen Stellung der Kirchen und ihrer Einrichtungen in konfessioneller Trägerschaft insoweit keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen finden, als sie eigene gleichwertige Bestimmungen getroffen haben. Zunächst hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgesehen, diese Sonderegelung für die Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft zu streichen, weil es für solche Sonderregelungen mit der Einführung von Mitbestimmungsrechten der Werkstatträte auch in der staatlichen Werkstätten-Mitwirkungsverordnung keinen Bedarf mehr gebe. Von einer Streichung der Rechtsgrundlage wurde dann aber abgesehen.
Damit haben kirchliche Träger auch künftig das Recht, eigene Regelungen zu erlassen. Diese müssen aber dem staatlichen Recht gleichwertig sein. Das heißt:
- auch die Beschäftigten in kirchlichen Werkstätten müssen das Recht auf Mitbestimmung in den Angelegenheiten haben, für die das staatliche Recht Mitbestimmung vorsieht.
- auch in kirchlichen Werkstätten muss Mitbestimmung heißen, dass die Vermittlungsstelle abschließend entscheidet.
- auch in großen kirchlichen Werkstätten muss die Zahl der Werkstatträte entsprechend dem staatlichen Recht steigen.
- auch in kirchlichen Werkstätten muss es ab dem Jahr 2017 Frauenbeauftragte gemäß dem staatlichen Recht geben.
Rz. 11
Die Anerkennungsbehörden (§ 225) werden in den Werkstätten in kirchlicher Trägerschaft in jedem Einzelfall, in dem diese Werkstätten sich hierauf berufen, zu prüfen haben, ob eine in diesen Einrichtungen angewandte Mitbestimmung und Mitwirkung der behinderten Menschen den Vorschriften der Mitwirkungsverordnung (s. unten) gleichwertig ist. Hier kann auch die Anerkennung von Einrichtungen als "Werkstatt für behinderte Menschen" angesprochen sein. Nach § 17 Werkstättenverordnung können als Werkstätten nur solche Einrichtungen anerkannt werden, die die in § 136 und in Abschn. 1 der Verordnung gestellten Anforderungen erfüllen. Lediglich von Anforderungen, die nicht zwingend vorgeschrieben sind, sind nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Werkstättenverordnung Ausnahmen zuzulassen, wenn ein besonderer sachlicher Grund im Einzelfall eine besondere Abweichung rechtfertigt.
Die Mitwirkung, seit dem 30.12.2016 auch die...