Rz. 3
§ 42 Abs. 1 zählt auf, welche Ziele konkret mit den medizinischen Rehabilitationsleistungen in Abgrenzung
- zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und an Bildung und
- zu den Leistungen zur sozialen Teilhabe
beabsichtigt sind.
Im Vordergrund der medizinischen Rehabilitationsleistungen steht die positive Beeinflussung
- der Behinderung (Begriffsdefinition: vgl. § 2 Abs. 1) einschließlich chronischer Krankheiten,
- der Pflegebedürftigkeit (Begriffsdefinition: vgl. § 14 SGB XI) und/oder
- der Erwerbsfähigkeit (vgl. § 10 SGB VI; Erwerbsfähigkeit ist die Fähigkeit des Versicherten, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben und damit seinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Es sind nicht die Kriterien anwendbar, die für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen für eine Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit (Erwerbsminderung) maßgebend sind (BSG, Urteil v. 29.3.2006, B 13 RJ 37/05 R).
Aus medizinischer Sicht zielen medizinische Leistungen zur Rehabilitation darauf ab,
- die gesundheitsbedingte Abhängigkeit von fremder Hilfe aufgrund von Funktions- und sonstigen Fähigkeitsstörungen bzw. Aktivitätseinschränkungen und Partizipationsstörungen auf das unumgängliche Ausmaß zu beschränken (z. B. Erlernen neuer Techniken und Fähigkeiten, um ausgefallene bzw. beeinträchtigte Fähigkeiten wieder zu erlangen),
- die Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu fördern (z. B. bei psychisch Erkrankten; vgl. auch BSG, Urteil v. 10.4.2008, B 3 KR 19/05 R, Rz. 35) und/oder
- eine dauerhafte unabhängige Lebensführung insbesondere bei den alltäglichen Verrichtungen des Betroffenen (u. a. Vermeidung von Pflegebedürftigkeit) zu ermöglichen.
Zu den alltäglichen Verrichtungen zählen neben der aktiven Teilhabe an Arbeit, Beruf, Bildung und Gesellschaft auch die Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Fortbewegung, Kommunikation, selbstbestimmte Führung des eigenen Haushalts usw. Als Fortbewegungsziel kommt deshalb z. B. bei einem querschnittgelähmten Menschen die Verbesserung der Mobilität
- zur Erschließung der näheren und weiteren Umgebung,
- zur Wiederaufnahme schulischer und beruflicher Aktivitäten und
- zur Erschließung von Freizeitaktivitäten
in Betracht.
Daneben führt Abs. 1 als weiteres Ziel die Besserung der Gesundheit an, um laufende Sozialleistungen wie Pflegegeld, Renten, Übergangsgeld, Krankengeld, Versorgungskrankengeld und Verletztengeld zu vermeiden oder in ihrer Dauer bzw. Intensität zu mindern (z. B. Einstufung in eine niedrigere Pflegestufe).
Rz. 4
Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation können nur dann bewilligt werden, wenn das Rehabilitationsziel voraussichtlich nach Durchführung der geplanten Leistungen auch erreicht werden kann. Die Erreichung des Rehabilitationsziels ist im Einzelfall von bestimmten Faktoren abhängig, die sowohl bei Bewilligung als auch bei der Erbringung der Leistungen stets zu prüfen sind (vgl. § 9). Hierzu zählen
- die Prüfung der Rehabilitationsbedürftigkeit des behinderten bzw. von Behinderung bedrohten Menschen (Rz. 5),
- die Feststellung der Rehabilitationsfähigkeit (Rz. 6),
- die vorherige Definition von Rehabilitationszielen (Rz. 7),
- die Feststellung einer positiven Rehabilitationsprognose (Rz. 8),
- die notwendige Motivation des Leistungsberechtigten, der an der Rehabilitation aktiv mitwirken soll (vgl. §§ 63 f. SGB I), sowie
- die Prüfung der Zumutbarkeit der Rehabilitationsleistung aus Sicht des Leistungsberechtigten (Grenzen der Mitwirkung; vgl. § 65 SGB I).
1.2.1 Rehabilitationsbedürftigkeit
Rz. 5
Rehabilitationsbedürftigkeit besteht, wenn als Folge einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung voraussichtlich nicht nur vorübergehende Fähigkeitsstörungen oder bereits drohende oder manifeste Beeinträchtigungen vorliegen. Weitere Voraussetzung ist, dass über die kurative Versorgung (Krankenbehandlung einschließlich stationärer Krankenhausbehandlung) hinaus medizinische Rehabilitationsleistungen erforderlich sind, um langfristig bestehende (vgl. Rz. 5a) Fähigkeitsstörungen oder Beeinträchtigungen bzw. Aktivitätseinschränkungen und Partizipationsstörungen zu vermeiden, zu beseitigen, zu vermindern bzw. eine Verschlimmerung zu verhüten (nähere Informationen zur Behinderung: vgl. Komm. zu § 2). Ferner ist Voraussetzung, dass zur Erreichung des Ziels ganzheitliche (= den gesamten Menschen betrachtende), multimodale (= mehrere Gesundheitsberufe beteiligende) und interdisziplinäre (therapeutisch verzahnte) Maßnahmen notwendig werden, damit der Versicherte zukünftig seinen Alltag (z. B. berufliche Verpflichtungen und/oder Teilnahme am Leben in der Gesellschaft/Gemeinschaft) möglichst ohne gesundheitliche Barrieren selbst gestalten kann.
Für den Dauererfolg einer Rehabilitation ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Betroffene neben der aktiven Mitwirkung an der Behandlung (z. B. Erlernen neuer Fähigkeiten wie das Erlernen des Essens und Schluckens nach einem Schlaganfall) angeleitet wird und lernt, was der eigenen Gesundheit und den daraus sich abzeichnenden Folgen für die Alltagsb...