2.2.1 Überblick

 

Rz. 11

§ 46 Abs. 1 befasst sich mit den Leistungen, die den medizinischen Leistungen i. S. d. § 5 zugeordnet werden und deren Kosten allein von der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen sind (§ 43 Abs. 1, letzter Halbsatz SGB V). Es handelt sich hier um

  • die interdisziplinäre, multimodale Diagnostik (= ganzheitliche Diagnostik mit Beteiligung unterschiedlicher Heilberufe/Professionen) zum Zwecke der Früherkennung von (drohenden) Behinderungen und Entwicklungsstörungen des Kindes – und zwar unabhängig davon, ob hier ärztliches, medizinisch-therapeutisches, sozialpädiatrisches, psychologisches oder heilpädagogisches Fachpersonal etc. tätig war oder hinzugezogen werden musste (vgl. auch Rz. 12 ff.),
  • die Aufstellung des Förder- und Behandlungsplans basierend auf den Ergebnissen der durchgeführten Diagnostik (vgl. Rz. 16),
  • die Vermittlung der Diagnose bzw. die Beratung des Erziehungsberechtigten über Fördermaßnahmen bzw. -hilfen auf der Basis der Ergebnisse der Diagnostik (§ 5 Abs. 2 FrühV, vgl. Rz. 3) und
  • die eigentliche Frühförderung (Rz. 21 f.) – und zwar hier nur der Anteil, der durch die Tätigkeit von medizinischem oder medizinisch-therapeutischem Fachpersonal erbracht wird.

Die hier aufgeführten Leistungen werden alle im Rahmen einer Komplexleistung erbracht. Die hierdurch entstehenden Mehrkosten für die indirekten Leistungen (auch als Korridor- oder systemische Leistungen bezeichnet) werden anteilmäßig auch von den Krankenkassen vergütet (Abs. 3; vgl. auch Rz. 24 ff.).

Die Kosten der Leistungen, die zulasten der Träger der Eingliederungshilfe zu erbringen sind, werden nicht in Abs. 1, sondern in § 46 Abs. 2 geregelt. Die Träger der Eingliederungshilfe haben sich an den Kosten der indirekten Leistungen ebenfalls anteilmäßig zu beteiligen.

Die Leistungen der Früherkennung und Frühförderung i. S. d. Abs. 1 werden ausschließlich in Interdisziplinären Frühförderstellen (Rz. 29 ff.) oder in Sozialpädiatrischen Zentren (Rz. 33 ff.) oder in nach Landesrecht zugelassenen Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinärem Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum erbracht (§ 43 Abs. 1 SGB V, § 46 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX).

2.2.2 Diagnostik

 

Rz. 12

Der Zugang zu der Diagnostik in einer interdisziplinär tätigen Früherkennungs- und Frühförderstelle i. S. d. § 46 Abs. 4 (Rz. 29 ff., 33 ff.) erfolgt grundsätzlich nur über eine ärztliche Verordnung, da Leistungen der Krankenkassen grundsätzlich nur über ärztliche Verordnungen erfolgen können. In bestimmten Bundesländern kann auch der Amtsarzt bzw. Arzt des öffentlichen Gesundheitsdienstes eine interdisziplinäre Frühförderung anregen. Einzelheiten sind meist in den jeweiligen Landesrahmenvereinbarungen (vgl. § 46 Abs. 4) geregelt.

So ist z. B. in Nordrhein-Westfalen für die Durchführung einer Diagnostik i. S. d. § 46 eine Verordnung eines Facharztes für Kinderheilkunde bzw. des behandelnden Arztes notwendig. Dieser hat aus medizinischer Sicht die Notwendigkeit einer interdisziplinären Früherkennung zu bestätigen. Mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein wurde deshalb in einer Absprache, die in der Ausgabe 9/2006 der Zeitschrift KVNo veröffentlicht wurde, vereinbart, dass die Diagnostik im Rahmen der Frühförderung i. S. d. § 46 mangels eines abgestimmten Verordnungsvordrucks auf Bundesebene durch den Vordruck Muster 16 (Arzneimittelverordnung) veranlasst wird. Der (Vertrags-)Arzt hat auf dem Vordruck anzugeben, wegen welcher Diagnose welcher Heilmittelbedarf vorliegt und aus welchem Grund ein heilpädagogischer Bedarf notwendig erscheint. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass der heilpädagogische Bedarf z. B.

  • bei Problemen in der Interaktion, in der Kommunikation, im Lernen, in der Sprachanbahnung und in der Alltagsbewältigung,
  • bei Verhaltensauffälligkeiten,
  • bei Angststörungen oder
  • bei Aggressionen

gegeben sein kann.

Ergänzend ist anzumerken, dass die Verordnung nach Muster 16 in diesem Fall als Verordnung i. S. d. § 73 Abs. 2 Nr. 5 SGB V (Verordnung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation) und nicht i. S. d. § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V (Heilmittelverordnung etc.) zu verstehen ist. Die für Heilmittel vorgesehenen Verordnungen der Muster 13, 14 oder 18 (Heilmittelverordnungen) wurden bewusst ausgeschlossen, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass die interdisziplinäre Frühförderung von den für Heilmittel bestehenden Richtgrößen tangiert wird.

Wird in Nordrhein-Westfalen ein möglicher Förderbedarf nicht zuerst vom Vertragsarzt, sondern durch einen Arzt des öffentlichen Gesundheitsdienstes oder eine andere Stelle (z. B. Krankenhaus) vermutet, ist auf jeden Fall eine Verordnung der interdisziplinären Komplexleistung durch den vorgenannten Vertragsarzt notwendig. In anderen Bundesländern ist dieses aufgrund anderer Strukturen teilweise anders geregelt.

 

Rz. 13

Die Diagnostik unterteilt sich in

  • die ärztliche Diagnostik.

    Sie beinhaltet z. B. die medizinische Anamnese (einschließlich Historie der Schwangerschaft, der Geburt und des bisherigen Entwicklungsfortgangs), eine Ganzkörperuntersu...

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