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Im Zweifel will ein Mensch mit Behinderung immer die ihm günstigste Art der Leistungen in Anspruch nehmen, sodass der gestellte Antrag auf Rehabilitations- und sonstige Teilhabeleistungen umfassend, also auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen zu prüfen ist ("Meistbegünstigung"; BSG, Urteile v. 29.11.2007, B 13 R 44/07 R, und v. 21.8.2008, B 13 R 33/07 R). Deshalb verwundert es nicht, dass Leistungsanträge teilweise leistungsgruppenübergreifend sind – also z. B. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur sozialen Teilhabe umfassen. Klarzustellen ist, dass jeder Rehabilitationsträger im Rahmen seiner Zuständigkeit allumfassend seine Leistungsverpflichtung prüfen muss und dass ein anderer, nachrangig zur Leistungsverpflichtung in Betracht kommender Rehabilitationsträger im Rahmen seines Leistungsspektrums dann Leistungen erbringen muss, soweit der Leistungsbedarf von dem anderen Rehabilitationsträger noch nicht vollständig befriedigt wurde (vgl. BSG, Urteile v. 21.8.2008, B 13 R 33/07 R, und v. 24.1.2013, B 3 KR 5/12 R).
Zu der Frage, welcher Rehabilitationsträger dem Grunde nach an erster Stelle zu leisten hat und wer nachrangig zuständig ist, gibt es folgende Grundsätze:
Die Zuständigkeiten zwischen den Rehabilitationsträgern, die durch den Antrag ausgelöst werden, richten sich nach der Reihenfolge der in § 5 aufgeführten Leistungsgruppen. Somit ist zuerst zu prüfen, ob aufgrund des vorliegenden Antrags Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Betracht kommen. Ist dies nicht der Fall oder wird durch die Leistungen der medizinischen Rehabilitation der Teilhabebedarf nicht vollständig gedeckt, ist zu prüfen, ob der Teilhabebedarf durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sichergestellt werden kann (BSG, Urteil v. 30.10.2015, B 5 R 8/14 R). Falls auch das nicht der Fall ist, kommen Leistungen zur Teilhabe an Bildung und – wenn diese auch nicht greifen – Leistungen zur sozialen Teilhabe in Betracht.
Ein Versicherter der Krankenversicherung benötigt wegen der Behinderung i. S. d. § 2 eine Handprothese – und zwar eine für den Alltag und eine andere (wegen der beruflichen Arbeit mit Säuren) speziell für die Arbeit am Arbeitsplatz.
Folge:
Für die im Alltag benutzte Prothese ist die Krankenkasse und für die während der Arbeit benutzte Prothese der Rentenversicherungsträger bzw. – falls die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 SGB VI nicht erfüllt sind – die Arbeitsagentur zuständig.
- Jeder Rehabilitationsträger ist jeweils nur im Rahmen seines Leistungsspektrums leistungsverpflichtet.
- Die Tatsache, dass in der Praxis aufgrund der Leistungsregelungen der §§ 14, 15 SGB möglicherweise ein anderer Rehabilitationsträger tatsächlich zur Leistung verpflichtet ist, ändert an der grundsätzlichen Vor- und Nachrangigkeit der Leistungsverpflichtungen von einzelnen Rehabilitationsträgern nichts; die Kosten werden nämlich letztendlich durch Erstattungsansprüche ausgeglichen, wenn ein Rehabilitationsträger aufgrund der Regelungen der §§ 14, 15 Leistungen erbringen musste, für die er nicht zuständig war.
§ 5 ist in unmittelbarem Zusammenhang mit § 6 zu sehen; in § 6 werden nämlich die einzelnen Rehabilitationsträger und – unter Verweis auf § 5 – zugleich die Leistungsgruppen, die vom jeweiligen Träger zur Verfügung zu stellen sind, aufgeführt.
Demnach sind z. B. die Krankenkassen nur für Leistungen der medizinischen Rehabilitation und für die damit verbundenen unterhaltssichernden und anderen ergänzenden Leistungen zuständig (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Nr. 1 und 3). Damit wird klargestellt, dass von den Krankenkassen weder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben noch zur sozialen Teilhabe zu erbringen sind (BSG, Urteile v. 21.8.2008, B 13 R 33/07 R, v. 24.1.2013, B 3 KR 5/12 R und v. 25.2.2015, B 3 KR 13/13 R) und dass die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung entfällt, wenn der berufliche, bildungsmäßige oder der soziale Teilhabebedarf nicht vom Leistungsspektrum der medizinischen Rehabilitation erfasst wird (BSG, Urteil v. 16.7.2014, B 3 KR 1/14 R). Dieses sog. nach Rehabilitationsträgern gegliederte System der Zuständigkeit für Teilhabeleistungen hat sich nach Auffassung des Gesetzgebers bewährt.
Die Zuordnung einer Leistung zu der einzelnen Leistungsgruppe orientiert sich nach ihrer Zweckbestimmung (LSG Hessen, Beschluss v. 29.6.2011, L 6 SO 57/11 B ER): Am Beispiel eines Hilfsmittels ist z. B. die Abgrenzung zwischen einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation (§ 47) und der einer Leistung zur sozialen Teilhabe nicht am Begriff des Hilfsmittels selbst vorzunehmen; maßgebend ist vielmehr, welches Bedürfnis mit dem jeweiligen Hilfsmittel befriedigt werden soll. Während Hilfsmittel im Rahmen von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (hier: § 47) die Aufgabe haben, einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder eine Behinderung bei der Ausführung von Tätigkeiten im Rahmen der Grundbed...