Rz. 18

Abs. 4 ist mit dem Gesetz zur Einführung Unterstützter Beschäftigung v. 22.12.2008 (BGBl. I S. 2959) mit Wirkung zum 30.12.2008 angefügt worden.

Mit der Begründung, dass die im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung durchgeführte individuelle betriebliche Qualifizierungsphase inhaltlich dem Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen gleichstehe (BR-Drs. 543/08, Begründung zu Art. 4 Nr. 4, § 40 SGB IX), hatte die Bundesregierung regeln wollen, dass die Zeit der individuellen betrieblichen Qualifizierung voll auf die Dauer des Berufsbildungsbereichs angerechnet werden sollte. Dies hätte zur Folge gehabt, dass nach der 2- oder nach Verlängerung 3-jährigen individuellen betrieblichen Qualifizierung eine Maßnahme im Berufsbildungsbereich nicht mehr durchzuführen gewesen wäre, der behinderte Mensch in diesen Fällen aus dem Eingangsbereich direkt in den Arbeitsbereich übergewechselt wäre.

 

Rz. 19

Gegen die volle Anrechnung wandte sich der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 19.9.2008 (BR-Drs. 543/08, Beschluss zu Art. 4 Nr. 4, § 40 Abs. 4 SGB IX, S. 6) und forderte eine lediglich hälftige Anrechnung mit der Begründung, bei der individuellen betrieblichen Qualifizierung handele es sich um im Vergleich zum Berufsbildungsbereich einer Werkstatt unterschiedliche Tätigkeiten/Maßnahmen. Eine grundsätzlich volle Anrechnung der Zeit einer Unterstützten Beschäftigung auf den Berufsbildungsbereich einer Werkstatt könne nicht in jedem Fall normiert werden, um nicht spätere Wiedereingliederungschancen der Betroffenen zu reduzieren.

 

Rz. 20

Nachdem die Bundesregierung diesen Vorschlag in ihrer Gegenäußerung wiederum mit dem Hinweis auf die Vergleichbarkeit beider Maßnahmen sowie auf die Möglichkeit des 3-monatigen Eingangsverfahrens zur Feststellung des richtigen Bereiches in der Werkstatt und der in Betracht kommenden Leistungen abgelehnt hatte (BT-Drs. 16/10487 zu Art. 4 Nr. 4 S. 16), beschloss der AuS-Ausschuss auf Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen (Ausschuss-Drs. 16[11]1175) die hälftige Anrechnung, wie vom Bundesrat angeregt, allerdings mit der in der Empfehlung des Bundesrates noch nicht enthaltenen Einschränkung, dass die Zeiten individueller betrieblicher Qualifizierung und des Berufsbildungsbereichs insgesamt nicht mehr als 36 Monate betragen solle. Der AuS-Ausschuss begründete die Begrenzung mit dem Erfordernis, dass Maßnahmekarrieren vermieden werden sollten (Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drs. 16/10905 v. 12.11.2008). Der Deutsche Bundestag folgte dieser Empfehlung.

Das bedeutet im Ergebnis, dass nur in den Fällen, in denen die Höchstförderdauer der individuellen betrieblichen Qualifizierung von 36 Monaten bereits ausgeschöpft ist, kein Raum mehr für eine weitere Förderung im Berufsbildungsbereich ist, in allen anderen Fällen noch eine Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich für eine bestimmte – i. d. R. aber nur kurze – Zeit erfolgen kann.

 

Rz. 21

Die Regelung, die Dauer der individuellen betrieblichen Qualifizierung nicht vollumfänglich, sondern nur hälftig anzurechnen, kann als sehr "großzügig" gegenüber den Trägern der Werkstätten für behinderte Menschen (ihre Verbandsvertreter hatten sich in ihren Stellungnahmen sowie in der öffentlichen Anhörung im AuS-Ausschuss des Deutschen Bundestages am 5.11.2008 einmütig gegen die volle Anrechnung ausgesprochen) und im Grunde auch gegenüber den für die Leistungen im Arbeitsbereich der Werkstätten zuständigen Sozialleistungsträgern, also in der Regel gegenüber den (über)örtlichen Sozialhilfeträgern, bezeichnet werden. Eine sachliche Rechtfertigung lässt sich nur schwer begründen.

Die Bundesregierung hatte in ihrer Gesetzesbegründung die individuelle betriebliche Qualifizierung als inhaltlich dem Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen gleichstehend bezeichnet. Im Grunde ist die individuelle betriebliche Qualifizierung auf regulären Arbeitsplätzen in Betrieben und Dienststellen des allgemeinen Arbeitsmarktes aber mehr als die berufliche Bildung im Berufsbildungsbereich der Werkstätten. Die individuelle betriebliche Qualifizierung soll auf eine reguläre Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereiten und damit auf eine Beschäftigung, die einer Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest nahekommt und wenigstens auch eine Teil-Erwerbsfähigkeit des behinderten Menschen voraussetzt. Dagegen erfolgt die berufliche Bildung in der Werkstatt als Vorbereitung auf eine Tätigkeit im Arbeitsbereich der Werkstatt, also auf eine Beschäftigung unter weitestgehend geschützten Bedingungen. Die Anforderungen an den behinderten Menschen im Rahmen der individuellen betrieblichen Qualifizierung sind auch insoweit höher als die Anforderungen im Rahmen der beruflichen Qualifizierung in der Werkstatt, als die berufliche Bildung in der Werkstatt nur am Rande die Aufgabe hat, die Erwerbsfähigkeit des Teilnehmenden an der beruflichen Bildung zu verbessern oder überhaupt herzustellen. Die ...

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