Rz. 24
Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich sind budgetfähig, d. h., der behinderte Mensch kann die Leistungen auch in der Leistungsform des Persönlichen Budgets (vgl. § 29) in Anspruch nehmen. Auch das Leistungsrecht der beruflichen Rehabilitationsträger sieht dies vor (für die Bundesagentur für Arbeit so in § 118 Satz 2 SGB III). Auf die Leistungsform des Persönlichen Budgets besteht seit dem 1.1.2008 ein Rechtsanspruch (vgl. § 159 Abs. 5 in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung, in der Nachfolgevorschrift des § 241 ab 1.1.2018 aufgehoben).
Die Leistungen nach § 40 (ab 1.1.2018 § 57) sind an den Status einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen geknüpft (so LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 5.12.2008 L 3 AL 11/07 [nicht rechtskräftig], so auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 9.12.2010, L 13 AL 4629/10 ER-B; Leitsätze dort: "Das persönliche Budget i. S. d. § 17 SGB IX stellt eine besondere Ausgestaltung der Erbringung von Leistungen zur Teilhabe dar; § 17 SGB IX ersetzt nicht eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für die jeweilige Leistung" und "Leistungen im Eingangsbereich oder auch im Berufsbildungsbereich können auch im Rahmen des § 97 SGB III nur in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen durchgeführt werden".
In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren ging es dort um einen behinderten Menschen, der zu seiner Teilhabe am Arbeitsleben auf eine Werkstatt für behinderte Menschen angewiesen war, dessen Eltern als die gesetzlichen Betreuer aber eine Teilhabe außerhalb der Werkstatt organisieren und diese Teilhabe mit Hilfe des Persönlichen Budgets finanzieren wollten.
Das BSG hat die Entscheidung des LSG Schleswig-Holstein mit dem Urteil v. 30.11.2011 (B 11 AL 7/10 R) aufgehoben. Das BSG hat in dem Urteil ausgeführt, dass der Leistungsträger im Berufsbildungsbereich (also i. d. R. die Bundesagentur für Arbeit) bei Vorliegen sachlicher Gründe mit Hilfe des Persönlichen Budgets auch eine Förderung außerhalb einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen erbringen könne, sofern die sonstigen Vorgaben des § 40 beachtet würden und in dem konkreten Fall das Ziel einer gesetzlich vorgesehenen Förderung in gleicher Weise erreicht werden könne. Maßgeblich sei dabei, ob eine mit Hilfe des Persönlichen Budgets geförderte Maßnahme mit einer Maßnahme im Berufsbildungsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen vergleichbar sei und in gleicher Weise wie diese die Erwartung rechtfertige, der Maßnahmeteilnehmer sei nach der Teilnahme an der Maßnahme in der Lage, ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen (vgl. insbesondere Rz. 27 ff. des Urteils).
Rz. 25
Zur Sozialversicherung der behinderten Menschen, die ein solches Persönliches Budget in Anspruch nehmen, äußert sich das BSG nicht ausdrücklich. Die einschlägigen Vorschriften in der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung sprechen jeweils von behinderten Menschen in Werkstätten. Hierunter würde ein Budgetnehmer bei wörtlicher Auslegung nicht fallen. Nach dem o. g. Urteil sind aber die dem Persönlichen Budget zugrunde liegende Zielsetzung, dem Leistungsberechtigten ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, und das bereits in § 9 Abs. 1 Satz 1 ausdrücklich geregelte Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten bei der Auslegung der einschlägigen Rechtsgrundlagen zu berücksichtigen (Rz. 17 des Urteils des BSG).
Das Wunsch- und Wahlrecht liefe in der Praxis ins Leere, wenn die Wahl des Persönlichen Budgets zu einem sozialversicherungslosen Zustand führte. Deshalb sind die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften für Werkstattbeschäftigte im Sinne des BSG so auszulegen, dass sie auch Anwendung finden, wenn einem behinderten Menschen mit Hilfe des Persönlichen Budgets eine Förderung außerhalb einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen bewilligt wird. Das bedeutet insbesondere für die gesetzliche Rentenversicherung, dass die Budgetnehmerinnen und -nehmer wie Werkstattbeschäftigte zu 80 % der Bezugsgröße versichert sind.
Diese Rechtsansicht wird in der Praxis der für Leistungen im Berufsbildungsbereich zuständigen Rehabilitationsträger umgesetzt. In der Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 8./9.5.2012 ist unter Ziffer 6.1. zu TOP 4 – Versicherungsrechtliche Beurteilung von beruflichen Bildungsmaßnahmen sowie von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – ausgeführt, dass sich in der Rentenversicherung die Versicherungspflicht nach der konkret in Anspruch genommenen Maßnahme richte. Folgerichtig sieht die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Handlungsempfehlung/Geschäftsanweisung (HEGA 12/2012) deshalb auch vor, dass die Sozialversicherung danach zu beurteilen ist, welche Maßnahmen ansonsten (d. h. ohne ein Persönliches Budget) durchgeführt worden wären (Abschnitt "Verfahrenshinweise, V.03 Sozialversicherung" zu § 29 SGB IX).
Die Notwendigkeit ...