Rz. 9
Die Frage, ob das rehabilitationsträgerspezifische Recht eine Regelungslücke hinterlässt, die durch Vorschriften des SGB IX geschlossen werden kann, ist teilweise schwierig zu beantworten.
So stellt sich z. B. die Frage, ob die Kosten der Kinderbetreuung i. S. d. § 74 auch von den Krankenkassen zu übernehmen sind. Hat z. B. eine Krankenkasse die Kosten einer medizinischen Rehabilitationsleistung im Rahmen des § 40 SGB V zu tragen, bestimmen sich die Voraussetzungen für die Haushaltshilfe nach § 38 SGB V (trägerspezifisches Recht). Auch enthält § 38 SGB V keinen Hinweis auf § 74 Abs. 3 SGB IX, der die Übernahme von Kinderbetreuungskosten regelt – und zwar weder in positiver noch in negativer Art.
Rz. 10
Die Spitzenverbände der Krankenkassen äußerten sich in ihrem Gemeinsamen Rundschreiben v. 15.6.2001 unter Pkt. 4 zum damaligen § 54 SGB IX (ab 1.1.2018: § 74), dass Kinderbetreuungskosten nur übernommen werden, wenn "sonst die Teilnahme an der Leistung zur medizinischen Rehabilitation ohne die Betreuung der Kinder nicht möglich ist", und definieren dadurch den Begriff "unvermeidbar" i. S. d. § 74 Abs. 3.
Unabhängig davon wenden viele Krankenkassen § 74 Abs. 3 nicht an, weil sie der Meinung sind, dass § 38 SGB V den Anspruch auf Haushaltshilfe umfassend und abschließend regelt. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass auch Kinderbetreuungskosten i. S. d. § 74 Abs. 3 übernommen werden sollen, hätte er dieses durch einen Verweis auf § 74 regeln müssen.
Dieser Auffassung stimmt der Autor nicht zu, da § 38 SGB V lediglich mit "Haushaltshilfe" überschrieben ist, während § 74 mit der Überschrift "Haushalts- oder Betriebshilfe und Kinderbetreuungskosten" versehen ist. Zu berücksichtigen ist auch, dass § 43 Abs. 1 SGB V auf eine entsprechende Anwendung des § 74 und damit auch auf § 74 Abs. 3 verweist. Der Autor vertritt die Meinung, dass durch den zusätzlichen Verweis in § 43 Abs. 1 SGB V zwar die Haushaltshilfe nach dem trägerspezifischen Recht des SGB V zu regeln ist, jedoch die Kosten der Kinderbetreuung von der Krankenkasse nach den Voraussetzungen des § 74 Abs. 3 zu übernehmen sind.
Rz. 11
Bei der Bundesagentur für Arbeit sowie bei den Renten- als auch Unfallversicherungsträgern ist die Frage nach der Kinderbetreuung klar geregelt: § 127 SGB III, § 28 SGB VI sowie §§ 39 und 42 SGB VII enthalten keine trägerspezifischen Regelungen zu dem Bereich, sondern verweisen allumfassend auf § 74 SGB IX. Insoweit stellt sich bei diesen Rehabilitationsträgern nicht die Frage der Abgrenzung der Leistungsansprüche.