Rz. 6
Die Vorschriften des SGB IX – und damit auch § 74 SGB IX – finden nur dann Anwendung, wenn die rehabilitationsträgerspezifischen Vorschriften (z. B. des SGB V) für bestimmte Leistungsbereiche nichts Abweichendes regeln (§ 7 Abs. 1 sowie BSG, Urteile vgl. Rz. 5).
Der Anspruch auf Haushaltshilfe zulasten der Krankenversicherung wird umfassend in § 38 SGB V geregelt. Für § 74 Abs. 1 SGB IX bleibt deshalb kein Raum mehr.
Für die Übernahme der Kosten für die Mitnahme des Kindes an den Rehabilitationsort mit der damit verbundenen Unterbringung des Kindes am Rehabilitationsort gilt uneingeschränkt § 43 Abs. 1, erster Teil, SGB V i. V. m. § 74 Abs. 2 SGB IX. Hier können an Stelle der Haushaltshilfe die Kosten der Unterbringung des oder der Kinder am Rehabilitationsort bis zur Höhe der Kosten der sonst zu erbringenden Haushaltshilfe übernommen werden.
§ 43 Abs. 1, erster Teil, SGB V gilt uneingeschränkt auch für die Kosten der Kinderbetreuung nach § 74 Abs. 3 SGB IX. Gemäß den Anmerkungen der Krankenkassenspitzenverbände unter Leitung des GKV-Spitzenverbandes zu § 74 SGB IX im Gemeinsamen Rundschreiben zu den Auswirkungen des SGB IX in der gesetzlichen Krankenversicherung (v. 18.6.2001 i. d. F. v. 1.4.2019) kommen Kinderbetreuungskosten nur in Betracht, wenn Haushaltshilfe nicht gewährt wird. Die Altersgrenze für Kinder nach § 74 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX (Vollendung des 12. Lebensjahres) gilt allerdings nach dem Gemeinsamen Rundschreiben auch bei der Übernahme von Kinderbetreuungskosten. Hiermit unterscheidet sich die Auffassung der Krankenkassen von denen anderer Rehabilitationsträger: Da die Erziehung der Kinder bis zum 18. Lebensjahr zu den elterlichen Pflichten gehört, übernehmen die anderen Rehabilitationsträger Kinderbetreuungskosten auch bei älteren Kindern. Einzelheiten: vgl. Rz. 47 ff.
Im Zusammenhang mit der Abgrenzung der Ansprüche zwischen § 38 SGB V und § 74 Abs. 1 SGB IX ergeben sich allerdings auch noch folgende Abgrenzungsfragen:
2.2.2.1 Zuzahlung
Rz. 7
Die Vorschrift des § 38 Abs. 5 SGB V sieht bei Haushaltshilfe zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung eine Zuzahlung vom Versicherten i. H. v. 10 % des Abgabepreises, mindestens 5,00 und höchstens 10,00 EUR je Tag, vor (allerdings nicht mehr als die Kosten der Leistung selbst). § 74 SGB IX kennt dagegen keinerlei Zuzahlung des Leistungsempfängers.
Wenn Rehabilitanden zulasten der Krankenversicherung Rehabilitationsleistungen erhalten und deshalb Haushaltshilfe beanspruchen können, ist nach § 38 Abs. 5 SGB V eine Zuzahlung zu entrichten. Diese Rechtsfolge ist mit § 7 Abs. 1 SGB IX zu begründen: § 38 SGB V regelt umfassend die Leistungsansprüche, die durch § 74 Abs. 1 SGB IX tangiert werden. Deshalb findet für die Haushaltshilfe im Bereich der Krankenversicherung ausschließlich § 38 SGB V Anwendung – und zwar mit der Verpflichtung zur Entrichtung der Zuzahlung durch den Versicherten.
Rz. 8
Bei den Kosten für die Mitaufnahme eines Kindes in der Rehabilitationseinrichtung am Rehabilitationsort i. S. d. § 73 Abs. 2 ist dagegen keine zusätzliche Zuzahlung fällig. Die Ansprüche für die Mitaufnahme ergeben sich nicht aus § 38 SGB V, sondern aus § 43 Abs. 1 SGB V. Dort ist eine Zuzahlung nicht vorgesehen. Gleiches gilt für die Kinderbetreuungskosten i. S. d. § 43 SGB V i. V. m. § 73 Abs. 3 SGB IX.
2.2.2.2 Mehrleistungen der Krankenkasse im Rahmen der Satzungsregelung
Rz. 9
Die Krankenversicherungsträger haben als einzige Rehabilitationsträger nach § 38 Abs. 2 SGB V die Möglichkeit, durch ihre Satzungen zu bestimmen, dass auch in anderen als den in § 38 Abs. 1 SGB V genannten Fällen Haushaltshilfe erbracht werden kann, wenn die Haushaltsführung wegen Krankheit nicht möglich ist. In der Praxis wurde die Altersgrenze für das anspruchsberechtigte Kind bei vielen Krankenkassen durch Satzungsbestimmung angehoben. Der Anspruch besteht dann nicht mehr bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, sondern – abhängig von den Regelungen in der Satzung – i. d. R. bis zum vollendeten 14. Lebensjahr des (jüngsten) Kindes.
Wenn also eine Krankenkasse eine medizinische Rehabilitationsleistung (vgl. Rz. 4) gewährt und der Rehabilitand deshalb den Haushalt nicht mehr wie gewohnt weiterführen kann, kann der Rehabilitand bei entsprechender Satzungsbestimmung bei einem noch 13-jährigen Kind Haushaltshilfe beanspruchen.
Dieser erweiterte Anspruch auf Haushaltshilfe besteht wegen des Wortlautes des § 38 SGB V nicht nur bei medizinischen Rehabilitationsleistungen, sondern auch bei einer Krankenhausbehandlung i. S. d. § 39 SGB V. Vorsicht ist hier bei einem Trägerwechsel geboten – also wenn der haushaltsführende Rehabilitand mit einem z. B. 13-jährigen Kind zunächst zulasten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus behandelt und dann in eine vom Rentenversicherungsträger finanzierten Anschlussrehabilitationsleistung überführt wird: Während bei entsprechender Satzungsbestimmung noch ein Anspruch für das 13-jährige Kind während der Krankenhausbedürftigkeit des späteren Rehabilitanden besteht, endet der Anspruch auf Haushaltshilfe mit dem Beginn der zulasten der Rentenversicherung d...