Rz. 2
§ 8 verpflichtet den Rehabilitationsträger,
- "berechtigte" Wünsche des Rehabilitanden bei der Auswahl und Erbringung von Teilhabeleistungen (§ 4) zu berücksichtigen (Abs. 1 Satz 1),
- auf die persönlichen und familiären Bedürfnisse und Lebensumstände des Rehabilitanden Rücksicht zu nehmen und die hiermit in Verbindung stehenden Wünsche des Rehabilitanden leistungsrechtlich umzusetzen (Abs. 1 Satz 2 und 3),
- dem Rehabilitanden im Zusammenhang mit den Teilhabeleistungen möglichst viel Raum zur eigenverantwortlichen Gestaltung der Lebensumstände zu lassen und dessen Selbstbestimmung zu fördern (Abs. 3).
Damit konkretisiert § 8 die bereits in § 33 Satz 2 SGB I festgeschriebene Stärkung der individuellen Wunsch- und Wahlrechte für alle behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen i.S.d. § 2: Während der Rehabilitationsträger Wünsche des Rehabilitanden nach § 33 Satz 2 SGB I lediglich berücksichtigen soll ("Soll"-Vorschrift), verpflichtet § 8 die Rehabilitationsträger zur Beachtung von berechtigten Wünschen ("Muss"-Vorschrift). § 33 Satz 2 SGB I wählt hier außerdem statt dem Wort "berechtigt" nur den Begriff "angemessen". § 8 gibt hier also dem Rehabilitanden mehr Rechte, weil finanzielle Gesichtspunkte (z. B. Mehrkosten für den Rehabilitationsträger) bei der Berechtigung i. S.d § 8 nur eine untergeordnete Rolle spielen (vgl. auch SG Oldenburg, Urteil v. 13.1.2022, S 63 KR 261/20).
Rz. 3
§ 8 unterscheidet zwischen dem Wunschrecht (Abs. 1, Rz. 6 ff.) einerseits und dem Wahlrecht (Abs. 2, Rz. 22 ff.) andererseits. Während sich das Wahlrecht lediglich auf die Wahl einer Geldleistung anstelle einer sonst zu beanspruchenden Sach- oder Dienstleistung (Sachleistungsprinzip) bezieht, umfasst das Wunschrecht die sonstigen persönlichen Wünsche des Betroffenen bei der Ausführung von Sach- und Dienstleistungen.
Rz. 4
Das Wunsch- und Wahlrecht des § 8 umfasst gemäß Abs. 4 auch die Zustimmung des Rehabilitanden zur Einleitung von Teilhabeleistungen i. S. d. § 5. Stimmt der Rehabilitand allerdings der jeweiligen Leistung nicht zu oder werden dem Rehabilitationsträger Informationen bekannt, dass der Rehabilitand die Leistung nicht in Anspruch nehmen will, darf der Rehabilitationsträger diesen auf die Mitwirkungspflichten nach den §§ 63, 64 SGB I und deren Folgen (§ 66 SGB I) verweisen. Voraussetzung ist, dass der Leistungsberechtigte für seine Verweigerung keine nachzuvollziehenden bzw. berechtigten Gründe nennt und dadurch zusätzliche Sozialleistungen notwendig werden (weitere Zahlung von Krankengeld, weil der Gesundungsprozess durch die fehlende Zustimmung hinausgezögert wird; Einzelheiten vgl. Rz. 29 ff.).
Rz. 5
Übt der Rehabilitand ein Wunsch- oder Wahlrecht nach § 8 aus, hat der Rehabilitationsträger hierüber im Rahmen seines Ermessens (§ 39 SGB I) zu entscheiden. Hierzu hat er zuvor den Rehabilitanden anzuhören (§ 24 SGB X) und alle für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalte und Tatbestände zu ermitteln. Der bloße Hinweis, dass die vom Rehabilitationsträger ausgewählte Klinik kostengünstiger sei als eine vom Rehabilitanden gewünschte Klinik, ersetzt eine solche Ermessensentscheidung nicht.
Ist der Rehabilitationsträger der Auffassung, dass der Wunsch bzw. die Wahl des Rehabilitanden nicht berechtigt ist, hat der Rehabilitationsträger den Gegenbeweis anzutreten und hierbei die Gesichtspunkte aufzuführen, von denen der Rehabilitationsträger bei der Ausübung seines Ermessens ausgegangen ist. Geschieht dieses nicht (Ermessensnichtgebrauch), führt dieses zur Rechtswidrigkeit des Bescheids bei Ablehnung des Wunsch- oder Wahlrechts.