Rz. 22
Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 hat der Rehabilitand im Zusammenhang mit Teilhabeleistungen die Möglichkeit, die Umwandlung von einer Sach- in eine Geldleistung zu wählen. Voraussetzung für die Umwandlung ist,
- dass der Leistungsberechtigte bei dem Rehabilitationsträger ausdrücklich einen Antrag auf die Umwandlung der Sachleistung stellt,
dass die Teilhabeleistung nicht in einer (ambulanten/vollstationären/teilstationären oder tagesklinischen) Rehabilitationseinrichtung ausgeführt wird
(Hinweis: Zu den Rehabilitationseinrichtungen in diesem Sinne zählen in Anlehnung an § 36 Einrichtungen, in denen Rehabilitanden ambulant oder stationär therapiert werden, Berufsförderungswerke, Berufsbildungswerke und Werkstätten für Menschen mit Behinderung), und
- dass die vom Leistungsberechtigten in Anspruch genommene Leistung voraussichtlich bei gleicher Wirksamkeit wirtschaftlich zumindest gleichwertig ausgeführt werden kann.
Macht der Rehabilitand von seinem Wahlrecht Gebrauch und liegen die im letzten Satz aufgeführten Voraussetzungen für ein Wahlrecht vor, hat der Rehabilitationsträger dieses zu akzeptieren. In der Regel wird dann die Geldleistung als zweckgebundene Kostenerstattung für die vom Rehabilitanden beschaffte Sachleistung erbracht. Der Rehabilitand kann nicht verlangen, dass er das Geld vor der Inanspruchnahme der Teilhabeleistung bzw. vor Bezahlung der durch ihn zu begleichenden Rechnung erhält (Anmerkung: Diese Möglichkeit besteht aber im Rahmen eines "Persönlichen Budgets" i. S. d. § 29, sofern die sonstigen Voraussetzungen des § 29 erfüllt sind).
Nach erfolgtem Wahlrecht kann sich der Rehabilitand den Leistungsanbieter selbst aussuchen. Gegenüber dem Leistungsanbieter/-erbringer tritt er dann als Auftraggeber auf und haftet für die Vergütung der erbrachten Leistungen nach den Grundsätzen des BGB. Der Rehabilitationsträger kommt seiner Verpflichtung durch Zahlung eines Geldbetrags bis zur Höhe der sonst entstehenden Sachleistungskosten nach. Ein ggf. nicht gedeckter Teil der Kosten geht in vollem Umfang zulasten des Rehabilitanden.
Die Umwandlungsmöglichkeit nach § 8 Abs. 2 erstreckt sich nach dem Gesetzeswortlaut nur auf Sachleistungen. Als Sachleistungen werden Leistungen bezeichnet, die vom Sozialleistungsträger in Natur gewährt werden. Sie bestehen in der Zurverfügungstellung von Sachen, z. B. bei der Versorgung mit Arznei-, Verband- und Hilfsmitteln.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob auch die Umwandlung von Dienstleistungen in Geld möglich ist. Dienstleistungen sind persönliche Hilfen und Betreuungsleistungen, soweit sie nicht den Geld- oder Sachleistungen zuzurechnen sind. Zur Definition der Sachleistungen i. S. d. § 8 Abs. 2 ist nach Auffassung des Autors § 11 SGB I heranzuziehen. Dieser unterscheidet zwischen den Naturalleistungen – also den Sach- und Dienstleistungen – einerseits und Geldleistungen andererseits. Die Naturalleistungen (= Leistungen werden in Natur zur Verfügung gestellt) grenzen sich somit von den Leistungen ab, die in Form von Geld an den Leistungsempfänger fließen. Es ergibt nach Auffassung des Autors bei der Anwendung des § 8 Abs. 2 keinen Sinn, zwischen Sachleistungen im engeren Sinne und Dienstleistungen zu unterscheiden. Mit § 8 Abs. 2 sind also nicht nur die reinen Sachleistungen i. S. d. § 11 SGB I gemeint, sondern auch die Dienstleistungen.
Ein im Rollstuhl sitzender Mensch mit starkem Rheuma benötigt über einen längeren Zeitraum Funktionstraining (als Teilhabeleistung im Rahmen der Nachsorge im Anschluss an eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zur Unterstützung des Rehabilitationserfolges; § 64 Abs. 1 Nr. 4). Da das Funktionstraining nur abends im 4 km entfernten Nachbarort durchgeführt werden kann und abends kein öffentlicher Bus zum Nachbarort fährt, kann er an dem Funktionstraining nicht teilnehmen. Allerdings befindet sich am Ort ein Krankenhaus mit Warmwasserbecken, in dem zweimal in der Woche funktionstrainingsähnliche Übungen unter Leitung eines geeigneten Krankengymnasten mit Übungsleiterschein stattfinden. Allerdings sind diese funktionstrainingsähnlichen Übungsveranstaltungen als Funktionstrainings nur deshalb nicht anerkannt, weil der verantwortliche Träger des Angebots nicht eine Selbsthilfegruppe ist (Voraussetzung für die Anerkennung: vgl. § 64 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. Ziff. 7.2 der unter Federführung der BAR zustande gekommenen Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining).
Fazit:
Der behinderte Mensch hat aufgrund von § 8 Abs. 2 die Möglichkeit, sich das Geld, welches der Rehabilitationsträger für das Funktionstraining zahlen würde, auszahlen zu lassen und das Alternativangebot an seinem Wohnort zu nutzen.
Rz. 23
Macht der Rehabilitand neben einem Wunschrecht nach Abs. 1 auch das Wahlrecht nach Abs. 2 geltend, ist aber der Wunsch i. S. d. Abs. 1 nur zum Teil berechtigt, kann nur der dann noch verbleibende Dienst- oder Sachleistungsanspruch Gegenstand des Wahlrechts (= Umwandlung in Geld) sein.