Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Höhe. Einkommen. selbständige und unselbständige Arbeit. negative Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Bemessungszeitraum. Anrechnung zugeflossener Einkünfte. Gewinn ohne zeitlichen Arbeitsaufwand. Erstattung bei Überzahlung
Leitsatz (amtlich)
1. Da bei Einkommen aus selbstständiger Arbeit im Bemessungs- und im Bezugszeitraum streng auf den steuerrechtlichen Einkommensbegriff abgestellt wird, ist der Umfang der für diese Einkünfte eingesetzten Arbeitszeit unerheblich.
2. Die Regelung des § 2 Abs 9 S 3 BEEG ist auch anwendbar, wenn neben dem Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit nur negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb (hier: aus Unternehmensbeteiligungen) vorliegen.
Orientierungssatz
Bei einer vorläufigen Bewilligung von Elterngeld nach § 8 Abs 3 BEEG handelt es sich der Sache nach um einen Vorschuss iS des § 42 SGB 1, sodass eine Überzahlung nach § 42 Abs 2 S 2 SGB 1 ohne besonderen Vertrauensschutz zurückzuzahlen ist (vgl BSG vom 5.4.2012 - B 10 EG 10/11 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 14).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 9. November 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Elterngeldes bei Einkommen aus Gewerbebetrieb in Form von Unternehmensbeteiligungen während des Elterngeldbezuges.
Die im Dezember 1974 geborene Klägerin ist ausgebildete Diplom-Kauffrau und war bis zur Geburt ihres Kindes bei der Grundstücksgesellschaft M. GmbH & Co. KG in Vollzeit (39,5 Stunden) beschäftigt. Nach der Geburt ihres Sohnes am 11. Mai 2008 arbeitete sie in Teilzeit und erzielte während des Elterngeldbezuges nur noch ein niedrigeres Einkommen aus abhängiger Beschäftigung. Sowohl vor als auch nach der Geburt ihres Sohnes setzte sich das Einkommen der Klägerin aus Einnahmen aus abhängiger Beschäftigung und - jedenfalls nach steuerrechtlicher Bewertung - selbstständiger Tätigkeit zusammen, wobei teilweise auch Verluste erzielt wurden.
Die Klägerin war u. a. in den hier maßgeblichen Jahren 2006 bis 2009 als Kommanditistin an drei Gesellschaften beteiligt, und zwar an der M. Projektentwicklung GmbH & Co. KG (Kommanditanteil 40 %), an der O. GmbH & Co. KG (Kommanditanteil 10 %) und an der Q. GmbH & Co. KG (Kommanditanteil 25 %). Die Q. GmbH & Co. KG ist Eigentümerin von Immobilien, die vermietet werden. Die Gewinne, die diese Kommanditgesellschaft erwirtschaftet, sind Überschüsse aus Mieteinnahmen. Das Geschäft der Vermietung und Verwaltung wird von der Q. Verwaltungsgesellschaft mbH erledigt, an der die Klägerin nicht mit Einlagen beteiligt ist. Die Klägerin erbringt bei den Gesellschaften, an denen sie beteiligt ist, keine Arbeitsleistung. Dieses gilt auch für die Q. GmbH & Co. KG; formal ist sie zwar Geschäftsführerin, bezieht jedoch kein Geschäftsführergehalt.
Im Jahr 2006 erzielte die Klägerin aus ihren Beteiligungen insgesamt 38.074,00 EUR als positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Steuerbescheid für das Jahr 2006 vom 2. Mai 2008). Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer leistete sie für dieses Jahr im Umfang von 2.647,94 EUR. Im Jahr 2007 erzielte die Klägerin insgesamt negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus Beteiligungen in Höhe von 64.708,00 EUR (Einkommensteuerbescheid vom 7. Oktober 2008), was vor allem mit den Verlusten der M. Projektentwicklung GmbH & Co. KG zusammenhing. Außerdem erzielte sie in dem Jahr 2007 positive Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 8.259,00 EUR und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 14.280,00 EUR. Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer wurden zunächst auf 2.636,64 für das Jahr 2007 festgesetzt und während dieser Zeit getilgt. Mit dem Steuerbescheid vom 2. Mai 2008 wurden nachträglich höhere Beträge für die Steuervorauszahlungen für das Jahr 2007 festgesetzt. Dies waren nunmehr 22.240,16 EUR, die abzüglich der bereits getilgten Leistungen in Höhe von 19.400,00 EUR spätestens zum 5. Juni 2008 fällig wurden. Daneben war die Klägerin abhängig beschäftigt. Sie erzielte aus dieser Tätigkeit nach den Gehaltsabrechnungen von Januar 2007 bis Mai 2007 ein Bruttoeinkommen (einschließlich des geldwerten Vorteils für Pkw) von 5.165,15 EUR monatlich. Nach Abzug von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen (unter Saldierung der Arbeitgeberzuschüsse mit den tatsächlichen Beiträgen) und einer Werbungskostenpauschale von 76,67 EUR monatlich entsprach dies einem Nettoeinkommen von 2.573,51 EUR monatlich. Von Juni 2007 bis April 2008 erzielte sie aus dieser abhängigen Beschäftigung ein monatliches Bruttoeinkommen von 5.356,15 EUR, was nach den oben genannten monatlichen Abzügen einem Nettoeinkommen von 2.667,35 EUR monatlich entsprach. Allein bezogen auf das Jahr 2007 erzielte die Klägerin nach den monatlichen Gehaltsabrechnung...