Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7. Rettungshandlung. reflexartiges Ausweichmanöver eines Motorradfahrers gegenüber einem Radfahrer im Straßenverkehr
Orientierungssatz
Ein Motorradfahrer, der zur Vermeidung eines Zusammenstoßes einem potentiellen Unfallgegner (hier: Vorfahrt nehmenden Radfahrer) ausweicht, steht gem § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dabei ist es unerheblich, dass die Rettungshandlung nicht mit zeitlichem Vorlauf geplant, sondern spontan in Sekundenbruchteilen vorgenommen wurde.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 03.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2014 verurteilt, das Ereignis vom 19.10.2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Beklagte hat die die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Der im Jahre 1963 geborene Kläger befuhr am 19.10.2012 mit seinem Motorrad zu dem Zwecke einzukaufen eine Straße in K., als ihm ein Fahrradfahrer die Vorfahrt nahm. Bei dem folgenden Ausweichvorgang kam der Kläger zu Sturz und zog sich u.a. Luxationen beider Schultergelenke zu.
Die Beklagte sichtete die strafrechtlichen Ermittlungsunterlagen und lehnte es sodann mit Bescheid vom 03.01.2014 ab, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen. Zur Begründung ist ausgeführt, zwar seien Personen dem Grunde nach gesetzlich unfallversichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisteten oder einen Anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retteten, der Kläger habe indes nur in Anbetracht eines drohenden Zusammenstoßes eine Vollbremsung eingeleitet, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Er habe in Sekundenbruchteilen gehandelt, so dass erhebliche Zweifel daran bestünden, dass er dabei bewusst an mögliche Unfallfolgen für den Radfahrer gedacht habe. Darüber hinaus habe für den Kläger eine annähernd gleiche Gefahr bestanden, so dass die Vollbremsung auch dem Selbstschutz des Klägers gedient habe.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, welchen er damit begründete, dass er eine bewusste Entscheidung getroffen habe und nicht instinktiv gehandelt habe.
Mit Bescheid vom 19.11.2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Beklagte begründete ihre Entscheidung damit, dass angesichts der hohen Verletzungsgefahr für den Kläger selbst keine Rettungsabsicht festgestellt werden könne.
Hiergegen ist am 08.12.2014 beim erkennenden Gericht Klage erhoben worden.
Der Kläger trägt vor, er begehre die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall und Entschädigungsleistungen. Sein Begehren werde durch Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gestützt. Hätte er wirklich unbewusst gehandelt, wäre er in den Radfahrer hineingefahren.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2014 zu verurteilen, das Ereignis vom 19.10.2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und trägt ergänzend vor, aus der strafrechtlichen Ermittlungsakte ergebe sich, dass der Kläger die Kontrolle über das Motorrad verloren habe. Motorradfahrer und Radfahrer seien im Straßenverkehr im Übrigen gleichen Gefährdungen ausgesetzt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 03.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2014 ist rechtswidrig. Bei dem Ereignis vom 19.10.2012 handelt es sich um einen Arbeitsunfall im Sinne des Gesetzes.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Der Kläger ist bei dem Ereignis unfallversichert gewesen. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13a) SGB VII sind solche Personen versichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Dieser Tatbestand ist hier erfüllt. Der Kläger hat, indem er seinem potentiellen Unfallgegner ausgewichen ist, diesen aus erheblicher Gefahr für dessen Gesundheit gerettet, möglicherweise ihm sogar das Leben gerettet. Der Umstand, dass der Kläger die Rettungshandlung nicht mit zeitlichem Vorlauf geplant vorgenommen, sondern in Sekundenbruchteilen gehandelt hat, begründet keine andere Bewertung. Auch eine spontan, ohne intensive Überlegung verrichtete Rettungstat unterfällt dem zitierten Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 13a) SGB VII. Dies hat das Bundessozialgericht gerade für ein Ausweichmanöver im Straßenverkehr entschieden (BSG, Urteil v. 3...