Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Befreiung von der Versicherungspflicht bei Mitgliedschaft im Versorgungswerk für Rechtsanwälte. Erstreckung der Versicherungsbefreiung auf eine parallel zur bisherigen Tätigkeit ausgeübte befristete Tätigkeit
Orientierungssatz
Wird ein angestellter Rechtsanwalt, der im Versorgungswerk für Rechtsanwälte versichert ist und deshalb von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit wurde, für eine befristet Zeit in einem weiteren Beschäftigungsverhältnisses tätig (hier: Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei einem Mitglied des Bundestages), so erstreckt sich die Befreiung von der Versicherungspflicht auf das weitere Beschäftigungsverhältnis auch dann, wenn die beiden Tätigkeiten parallel ausgeübt werden.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 15.05.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.10.2018 verpflichtet, für die Tätigkeit der Klägerin als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundestagsabgeordneten U die beantragte Erstreckung der Befreiung von der Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstreckung einer Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für eine befristete Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin.
Die Klägerin stellte im März 2018 bei der Beklagten einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege einer Erstreckung. Sie gab an, als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundestagsabgeordneten I K1 U (im Folgenden: der Beigeladene zu 2)) in Berlin beschäftigt zu sein. Die Beschäftigung habe am 01.01.2018 begonnen und sei infolge der Eigenart der Beschäftigung zeitlich begrenzt bis maximal September 2021. Die Klägerin ist Mitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: die Beigeladene zu1). Die Pflichtmitgliedschaft besteht seit dem 27.10.2005. Ferner ist sie seit dem 25.10.2005 Mitglied der Rechtsanwaltskammer. Für eine Tätigkeit als Rechtsanwältin in der Kanzlei K2, G, N1, Rechtsanwälte in C erhielt die Klägerin 2013 eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung mit Wirkung ab 01.04.2013. Aufgrund eines weiteren Antrags 2014 erhielt sie für ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin in derselben Kanzlei eine weitere Befreiung mit Bescheid vom 08.07.2014.
Die Beklagte bat die Klägerin um Mitteilung, ob sie weiterhin neben der berufsfremden Beschäftigung noch als Rechtsanwältin in einer Kanzlei beschäftigt sei oder ob die anwaltliche Beschäftigung aufgegeben worden sei. Die Klägerin teilte mit, neben der dem Antrag zu Grunde liegenden Beschäftigung weiterhin drei Tage in der Woche als Rechtsanwältin beschäftigt zu sein.
Mit Bescheid vom 15.05.2018 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Grundsätzlich sei eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt. Nach § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI könne sich in Erweiterung des Tätigkeitsbezugs eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ausnahmsweise dann auf eine andere, berufsfremde Beschäftigung erstrecken, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt sei und die Versorgungseinrichtung auch während der Ausübung der Beschäftigung den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleiste. Durch diese Regelung solle nach dem Willen des Gesetzgebers sichergestellt werden, dass die kurzfristige und vorübergehende Ausübung einer anderen, berufsfremden Beschäftigung den Betroffenen nicht zu einem Wechsel des Alterssicherungssystems zwinge. Hieraus ergebe sich, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nur dann auf eine infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzte andere berufsfremde Beschäftigung erstreckt werde, wenn diese die Beschäftigung, für die der Beschäftigte von der Versicherungspflicht befreit wurde, unterbreche. Denn ausschließlich in solchen Fällen könne es zu einem Wechsel in den Alterssicherungssystemen kommen. Ein Wechsel liege nur vor, wenn ein Alterssicherungssystem verlassen werde und der Eintritt in ein anderes Alterssicherungssystem erfolge. Dies sei nicht der Fall, wenn zwei unterschiedlichen Alterssicherungssystemen zugehörige Beschäftigungen nebeneinander ausgeübt würden. Bleibe die Zugehörigkeit zu einem Alterssicherungssysteme aufgrund der Ausübung einer Beschäftigung bestehen und werde darüber hinaus durch die Aufnahme einer weiteren Beschäftigung die Zugehörigkeit zu einem anderen Alterssicherungssystem begründet, liege kein Wechsel vor. Die Klägerin sei als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundestagsabgeordneten U berufsfremd beschäftigt. Die Beschäftigung bei K2, G, N1, Rechtsanwälte, für die die Klägerin mit Bescheid von Juli 2014 von der Versicherungspflicht befreit worden sei, werde hierdurch jedoch nicht unterb...